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Keith Johnstone
  "Theatersport"
 
Premiere am 05. Oktober 2002
     
 
Regie: Volker Quandt
    Bühne: Volker Quandt
     

 

Wie funktioniert's?
Nach einem speziellen Training fordern sich zwei Schauspieler-Mannschaften mit wenigen Regeln und viel Fantasie gegenseitig heraus zu improvisierten Szenen und Geschichten, die mit besonderen Schwierigkeiten gespickt sind (gespielt als Oper, Stummfilm, Western, Liebesszene oder einfach rückwärts). Ein Moderator führt durch den Abend, alle Fouls werden bestraft und ein Pianist untermalt die Szenen mit viel Fingerspitzengefühl. Sie als Publikum geben verrückte Vorgaben, die die Schauspieler spontan und ohne Absprache umsetzen. Sie entscheiden, welchem Team die Punkte zufallen. Kein Abend ist wie der andere, jeder Abend eine Premiere! Theater ohne Skript, Shows aus dem Stegreif. Eine große Herausforderung für die Schauspieler, ein Riesen-Vergnügen für das Publikum - garantiert.

Das revolutionäre Theaterkonzept des kanadischen Improvisations-Pioniers Keith Johnstone hat sich längst um den ganzen Globus verbreitet. In dieser einmaligen Verbindung von Theater und Wettkampf treten Mannschaften mittlerweile zu internationalen Turnieren, Europa- und Weltmeisterschaften an..

   
Die Premiere spielten:
    Carola Sigg
    Antje Weber
    Elvira Grecki
    Jan Ole Sroka
    Bernd Herold
    Stefan Wancura
    Michael-Paul Milow
     
Spielleiter
-
Mathias Noell
Improvisation am Flügel
-
Alexander Suckel
Spiel-Assistentin
-
Vivian Schmidt
     

KRITIK:

Spaß am laufenden Band

Riesenstimmung bei "Theatersport" im Chemnitzer Schauspielhaus

Chemnitz. "Die Frau mit der Frisur", "Eine Mutter schöpft Verdacht" oder "Manchmal bin ich allein" - wer diese Titel in der Theaterliteratur sucht, sucht vergebens. Gespielt aber werden sie trotzdem. Und im Laufe der Zeit kommen vermutlich noch mehr solch spannende Einakter auf die Bühne des Chemnitzer Schauspielhauses. Denn der "Theatersport" ist ausgebrochen, bei dem so ziemlich alles möglich scheint. Zur Premiere am Sonnabend jedenfalls gab's auch eine Szene zur Tetanusimpfung und zur Unterwasserentbindung.
Das kann man nicht spielen? 0, doch, und wie. Und Punkte gibt es außerdem, denn der Abend wird von zwei konkurrierenden Mannschaften bestritten: Goethe's Gang und Shakespeare's Schatten, mit Wimpel, Hymne, Dress und allem Pipapo. Sechs Schauspieler verkörpern, was das Publikum sich ausdenkt. Wunschtheater und Wettkampf in einem. Stimmung bricht aus' fast wie beim Sechs-Tage-Radrennen oder auf dem Fußballplatz. Lärminstrumente werden ausgereicht. Ein Improvisationsabend pur -
über mehrere Runden' die vom Publikum mit farbigen Karten bewertet werden, je nachdem, ob die Akteure aus der roten oder blauen Ecke überzeugen. Dabei hält ein Spielleiter die Fäden in der Hand, stachelt das Publikum an oder verteilt auch schon mal gelbe Karten, wenn die Zurufe aus dem Parkett oder die Mimen im Rampenlicht haarscharf am Schwachsinn vorbeischrammen. Schließlich gilt es Dinge in die "Stücke" einzuarbeiten, wie Eierschneider, Zahnbürsten, Autorücksitz oder Zwiebelsuppe. Verbessert werden darf nicht, alles muss sitzen, selbst wenn die Geschichten die abstrusesten Wendungen nehmen.
Der englische Regisseur und Dramatiker Keith Johnstone hat sich diese Art des Improvisationstheaters erdacht, und Volker Quandt, der sie nach Deutschland brachte und seither schon mehrfach inszenierte, hat die Chemnitzer Schauspieler nicht nur bestens trainiert, sondern auch als Spielleiter der Premiere vorgestanden. Hier spürte man jahrelange Erfahrung im Umgang mit dieser offenen Form. Den Zuschauerraum hatte er sofort im Griff, auch wusste er die Einwürfe aus dem Parkett geschickt zu lenken. Erfrischend zu beobachten, dass sich Quandt nach x vergleichbaren Projekten an anderen Häusern immer noch ausschütten kann vor lachen, etwa wenn Michael-Paul Milow als Roboter auf Bernd Herold als Gletscherleiche trifft, wenn Carola Sigg als Mariandl auf der Alm Milch holt, Stefan Wancura als Butler die Juwelen einer englischen Lady "sicherstellt", Antje Weber als Schlüsselchen sich nichts sehnlicher wünscht als die Begegnung mit dem Schlüsselloch oder wenn Jan Ole Sroka einem anderen die Geliebte ausspannt.
Science-Fiction, Krimi ,a la Agatha Christie' Marionettenspiel, Pantomime, absurdes Theater oder Oper - es ist alles drin. So kann es eben auch passieren, dass "Kurs auf Spaniens Küste", der gegenwärtige Fortsetzungsroman der "Freien Presse", plötzlich als Musical auf die Bretter kommt.
Zur Premiere übrigens konnte Shakespeare's Schatten mit 27 zu 26 Punkten den Sieg holen, auch wenn es lange nicht so aussah. Wer das Theater ausschließlich als heilige Halle hehrer Gedanken sieht, der sollte den "Theatersport" meiden. Tiefsinn ist nicht zu erwarten. Doch garantiert:
Jeder Abend wird ein Original, mit Spaß am laufenden Band.
Es gab viel Beifall und einige Zugaben.

Uta Trinks, Freie Presse, 07.10.2002

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  Erstellt am 14.08.2003