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Friedrich Schiller
  "Wilhelm Tell "
 
Premiere am 13. März 1999
     
 
Regie: Tatjana Rese
    Bühne: Reiner Wiesemes
     


,,Durch diese hohle Gasse muß er kommen, Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht - Hier Vollend' ich's - Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen. Ich lebte still und harmlos - Das Geschoß War auf des Waldes Tiere nur gerichtet, Meine Gedanken waren rein von Mord - Du hast aus meinem Frieden mich heraus Geschreckt, in gärend Drachengift hast du Die Milch der frommen Denkungsart mir erwandelt, Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt - Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte, Der kann auch treffen in das Herz des Feindes. Die armen Kindlein, die unschuldigen, Das treue Weib muß ich vor deiner Wut Beschützen, Landvogt - Was ich mir gelobt In jenes Augenblickes Höllenqualen, Ist eine heil'ge Schuld, ich will sie zahlen."
   
Fast jeder kennt Wilhelm Tell, jenen Meisterschützen, der den Apfel vom Kopf des Sohnes schoß, weil der Reichsvogt es so befahl. Aber jeder kennt die Geschichte ein wenig anders. Und wie im Laufe der Zeit und von den frühesten Sagen aus dem 13. Jahrhundert über viele Werke bis heute aus einem Aufrührer und Tyrannenmörder der aufrechte Verteidiger gegen einen fremden Unterdrücker wurde, aus dem Outlaw sozusagen der Mitbegründer einer Nation, nämlich der schweizerischen Eidgenossenschaft, so unklar ist auch bis heute geblieben, ob es diesen Tell jemals gegeben hat. Denn, obwohl sowohl der schlüssige Einwand als auch der schlagende Beweis für seine Existenz fehlt, ist er nicht zuletzt durch Schillers Drama 1804 zum Nationalhelden geworden, zu einer Identifikationsfigur für ein ganzes Volk, denn Schiller hatte in dieser Abrechnung mit der französischen Revolution eine wahrhaft flammende Figur im Kampfe um Freiheit und Gerechtigkeit geschaffen, die fortan so gefeiert in der Welt zu historischem Ruhm gelangte. Aber jede Generation in jeder Zeit bestimmte parallel zu ihrem Zeitgeschehen immer wieder neu, welche Geschichte "ihr" Tell denn nun erzählen sollte, und so wird auch die Chemnitzer Premiere eine ganz neue erzählen, denn der Dramatiker Werner Buhss schrieb mit "Der Schuh des Anderen" eine Nebenhandlung für unsere theatralische Auseinandersetzung, die zwei merkwürdige Figuren das Thema Heimat und Freiheit verhandeln läßt und so den Schillerschen Tell gleichzeitig verfremdet und entfremdet. Und vielleicht den Blick freimacht auf diesen so bekannt scheinenden Apfelschuß, denn fragt man sich eigentlich wirklich, was das für ein ungeheuerlicher Vorgang ist - der Vater schießt auf den eigenen Sohn - warum?
   

Die Premiere spielten:

Geßler, Rechsvogt in Schwyz und Uri

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Oliver Trautwein

Werner, Freiherr von Attinghausen, Bannherr

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Gerhard Meyer

Ulrich von Rudenz, Neffe Attinghausens

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Andreas Möckel

Wilhelm Tell

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Günter Zschäckel

Hedwig, Tells Gattin, Fürsts Tochter

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Silke Röder

Walter Tell, Tells Sohn

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Clemens Dönicke*

Walter Fürst, Landmann aus Uri

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Klaus Schleiff

Rösselmann, der Pfarrer aus Uri

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Stefan Schweninger

Petermann, der Sigrist aus Uri

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Holger Kraft*

Kuoni, Landmann aus Uri

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Carsten Knödler

Werni, Landmann aus Uri

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Holger Kraft*

Ruodi, Landmann aus Uri

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Bernd Herold

Werner Stauffacher, Landmann aus Schwyz

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Johannes Mager

Gertrud, Stauffachers Gattin

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Heike Meyer

Itel Reding, Landmann aus Schwyz

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Bernd Herold

Hans auf der Mauer, Landmann aus Schwyz

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Carsten Knödler

Ulrich der Schmied, Landmann aus Schwyz

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Joachim Stein**

Arnold vom Melchtal, Landmann aus Unterwalden

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Ulf Deutscher

Konrad Baumgarten, Landmann aus Unterwalden

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Roy Borm

Meier von Sarnen, Landmann aus Unterwalden

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Jost Pieper*

Struth von Winkelried, Landmann aus Unterwalden

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Andreas Anke*

Burkhart am Bühel, Landmann aus Unterwalden

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Matthias Rott*

Frießhart, Geßlers Söldner

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Marc Hetterle

Leuthold, Geßlers Söldner

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Matthias Kleinert

Armgard, Bäuerin

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Ute Baggeröhr*

Elsbeth, Bäuerin

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Anna Görgen*

Mechild, Bäuerin

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Ute Baggeröhr*

Alter Mann

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Stefan Schweninger

Wanderer

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Jost Pieper*

Stüssi, der Flurschütz

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Andreas Anke*

Bräutigam

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Frank Meyer**

Musiker

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Steffan Claußner

Der Eine

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Frank Höhnerbach

Der Andere

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Bernd-Michael Baier

* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz

** Komparserie

     

KRITIK:

"(...) Die Armbrust freilich durfte nicht fehlen. Damit vom wackeren Schützen in der möglicherweise berühmtesten Theaterszene aller Zeiten der Apfel auch getroffen werden konnte, erfüllt dieser die Euronorm.
Schmissige Alpenfolklore fand also am Chemnitzer Theater nicht statt. Selbst die Bühnenmusik, die zwar auf einem volksnahen Instrument wie dem Akkordeon gespielt wurde, war dissonanzenreich verunklart und von intellektuellem Charme durchzogen. Über weite Strecken ließ die Regisseurin Tatjana Rese den Text emotionssauber aufsagen, was den zahlreichen geflügelten Worten, die im Sprachalltag und in zahllosen Schulaufsätzen ein unabhängiges Leben führen, nur gut tat.
Vor allem der Titelheld (Günter Zschäckel) agierte mit angzezogener Handbremse wie ein cooler Westernheld aus Hollywood. Emotionale Ausbrüche waren höchst selten, etwa wenn sich Frau Hedwig über den unseligen Schuß ihres Mannes zu Recht ereiferte. Ansonsten plätscherte das Geschehen quasi als szenische Lesung dahin - und es war recht so, Schillers Text, dessen Rezeptionsgeschichte alle Tiefen und Untiefen deutscher Bühnenkunst hinter sich hat, trägt sich heutzutage am besten selbst.
Aus dem Ensemble, das den Intentionen der Regisseurin perfekt Genüge tat, ragte eigentlich niemand heraus, aber Altmeister Gerhard Meyer als Attinghausen, Oliver Trautwein als bösartiger Geßler und Silke Röder als Hedwig sollen hier trotzdem extra genannt werden (...)"

Gottfried Blumenstein, Sächsische Zeitung, 15. 3. 99


 

 

 

  Erstellt am 02.10.2000