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Oscar Wilde
  "Salome"
 
Premiere am 12. Mai 2012
     
 
Regie: Claudia Bauer
    Ausstattung: Patricia Talacko, Bernd Schneider
    Musik: Smoking Joe
     
"Ah, ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan; ich hab ihn geküsst, deinen Mund. Es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen. Hat es nach Blut geschmeckt? … Nein; doch schmeckte es vielleicht nach Liebe … Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke …"
 

Salome flieht von der rauschenden Geburtstagsfeier und vor den begehrlichen Blicken ihres Stiefvaters Herodes nach draußen an die Luft. Dort wird sie auf den gefangenen Propheten Jochanaan aufmerksam, der nicht müde wird, dem lasterhaften und dekadenten Hofstaat um Herodes und seine Frau Herodias den Untergang vorauszusagen. Salome aber fühlt sich von den eigenartigen Prophezeiungen des Jochanaan angezogen und erregt. Sie lässt sich von dem jungen Hauptmann der Wache, der ihr wiederum hoffnungslos verfallen ist, Zugang zum Propheten verschaffen. Fasziniert von seinen Worten will Salome Jochanaans Mund küssen - was dieser ihr verweigert.
Vor den Augen der gesamten Geburtstagsgesellschaft und ihres lüsternen Stiefvaters, der geschworen hat, ihr alles dafür zu geben, was sie möchte, tanzt Salome schließlich den "Tanz der sieben Schleier". Der Preis: Der Kopf des Jochanaan.

Text - Theater Chemnitz !!!

 

 
Die Premiere spielten:
Salome, Tochter der Herodias
-
Daniela Keckeis
 
Jochanaan, der Prophet
-
Bernhard Conrad
 
Herodes Antipas, Tetrarch von Judäa
-
Wenzel Banneyer
 
Herodias, Gemahlin des Tetrarchen
-
Susanne Stein
 
Page der Herodias / Jude / Römer
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Tilo Krügel
Der Junge Syrier / Jude / Römer
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Constantin Lücke
Erster Soldat / Jude / Römer
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Hartmut Neuber
Cappadocier / Jude / Römer
-
Michael Pempelforth
Zweiter Soldat / Jude / Römer
-
Sebastian Tessenow
 

KRITIK:

Salome - In Chemnitz will Claudia Bauer in Oscar Wildes Tragödie auch komisch sein
Spielzeug kaputt

An Herodes' Hof ist die Spaßgesellschaft eingezogen. Anything goes, jeder darf, will und nimmt sich alles, nur die kleine Prinzessin bekommt nicht, was sie will, da kann sie noch so sehr mit dem Fuß aufstampfen. Sie selbst aber, Salome, wird zum Wunschbild aller Männer, das aus ihrem (Kinder-)Zimmer auf die Rückwand des Thronsaales projiziert wird wie bei einer Peepshow.

Als ziemlich wilde Mischung aus Psychologie und Tortenschlacht hat Claudia Bauer Oscar Wildes Einakter "Salome" am Chemnitzer Schauspiel inszeniert. Mit Kreide strichelt Salome (Daniela Keckeis) eine Silhouette auf den Eisernen Vorhang. Als einen großen, schmalen Körper mit sehr langen Haaren zeichnet sie Jochanaan als Wunsch- und Angstbild auf die graue Fläche, spricht, flüstert, phantasiert von gräßlich roten Lippen, die verlockend und gefährlich zugleich sind. So läßt Claudia Bauer das Mädchen in weißem Mini und rosa Felljäckchen vom geliebt-gefürchteten Propheten träumen, noch ehe sie ihn gesehen hat.

Blutige Rutschpartie

Dann öffnet sich der Eiserne und wir sind in einem Reich der Langeweile, des Überdrusses. Die Ausstatter Patricia Talacko und Bernd Schneider haben einen Allerwelts-Bankettsaal auf die Bühne des großen Hauses gebaut, Tische sind mit goldenen Decken verhüllt, daran sitzen vier gelangweilte Höflinge, die mal in aggressive Diskussionen um Juden, Götter, Opfer und Blut ausbrechen, dann wieder in ihre Lethargie zurückfallen. Sie kann nicht mal der nackte, langhaarige Jochanaan (Bernhard Conrad) aufregen, der zwischen ihnen auftaucht, düstere Prophezeiungen und böse Anschuldigungen spricht und wieder verschwindet. Nur Salome lacht ihn aus und fürchtet ihn, starrt ihn nur an und will dann nichts mehr außer ihm.

Dieses Stück war mal ein Skandal. 1892 wurde es mit Sarah Bernhardt in London einstudiert, vom Zensor verboten und schließlich zum Libretto für Richard Strauss' Musikdrama. Oscar Wildes Theaterstück wurde erst 1905 in Dresden uraufgeführt, im selben Jahr kam es zum ersten Mal auf ein englische Bühne. Von solcher Brisanz oder einem Skandal ist Claudia Bauers Inszenierung weit entfernt. Und es scheint nie ganz sicher, ob sie das Stück ernst nimmt oder sich nur einen Spaß daraus macht. Wenn ein junger Hofbeamter sich Salomes wegen ersticht, pumpt er Blut aus einem Schlauch in seinem Jackett; Blut, auf dem Herodes und Herodias komisch ins Rutschen geraten.

Hitzige Tortenschlacht-Debatte

In der Dreierkonstellation dieses seltsamen Elternpaares mit der Tochter Salome aber gelingen immer wieder dichte Szenen, etwa wenn Herodes (Wenzel Banneyer) das Mädchen vor den Augen der Mutter zu verführen sucht: Herodias läßt sich immer wieder mit unsinnigen Aufträgen wegschicken, kehrt aber schnellstmöglich zurück, mindestens so sehr, um die Tochter zu hüten als auch, um sich selbst wieder ins (Liebes-)Spiel zu bringen. Susanne Stein spielt das sehr vielschichtig, hinter der Fassade brodeln Eifersucht, Wut, Verlassenheit, Häme - die Stein ist da sehr souverän im Chaos um sie herum. Und Salome sitzt in all dem wie ein Schulmädchen, schaut sich die Welt an und sieht doch nur einen.

Doch Claudia Bauer will mit diesem 80-minütigen Einakter auch unbedingt komisch sein. Da endet dann eine hitzige Debatte um Völker und Religionen in einer Tortenschlacht, die ausgewalzt wird, bis alle triefen und der Boden eine Rutschbahn ist. Da wickeln sich die Höflinge in die goldenen Tischtücher und tanzen Polonaise, auch die "Reise nach Jerusalem" wird nicht ausgelassen. Und Salome braucht weder Tanz noch Schleier, um von Herodes den Kopf des Propheten zu fordern: Nackt - wie Jochanaan - trällert sie wie weiland Marilyn Monroe "Happy Birthday, Mister President", nur dass dieser Herodes kein Kennedy ist.

Mit dem Ende aber ist dann aller Jux vorbei. Und wieder findet die Regisseurin einen eigenen, gelungenen Zugang. Was auf so vielen bluttriefenden Gemälden festgehalten wurde - die Enthauptung des Jochanaan -, findet hier hinter der Szene statt. Die Höflinge starren drauf, Salome spricht, fast ungläubig, die Beschreibung des Geschehens. Und dann erscheint Jochanaan, nun im Anzug, (s)einen Puppenkopf im Arm und setzt sich auf einen Stuhl. Ein Theatercoup - der aber für Salome todernst ist. Denn so sehr sie auch fleht, küsst und ihn umarmt: Sie hat ihr Spielzeug kaputtmachen lassen, der Kuss, den sie sich am Ende doch noch holt, ist bitter.

Ute Grundmann, http://www.nachtkritik.de, 12.05.2012

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Oscar Wildes "Salome": Kopf statt Kuss
Claudia Bauer hat das Spiel von Liebe und Tod in Chemnitz eindrucksvoll inszeniert

Die Parallelen zur Gegenwart sind unübersehbar: Es ist eine Zeit ohne Utopien, ohne Werte, in der der Hofstaat des Herodes und seiner Frau Herodias den Herrschergeburtstag feiert. Golden glänzt die Terasse in der von den Bühnen- und Kostümbildnern Patricia Talacko und Bernd Schneider mit sparsamen, aber überzeugenden Mitteln geschaffenen profanen Eleganz einer Oberschicht, die über den Propheten Jochanaan nur lachen kann. Der sagt dieser Gesellschaft den Untergang voraus und wirbt für eine "unzerstörbare Demut".

Nur Salome (zwischen verwirrter Naivität und bockigem Selbstbewusstsein überzeugt, außer, wenn sie ganz laut werden muss, Daniela Keckeis) sehnt sich nach Liebe, nach einem Idol oder einem Ideal. Sie fühlt sich er- und angeregt von dem Propheten, dessen Mund sie küssen möchte. Was Jochanaan (Bernhard Conrad balanciert auf dem schmalen Grat zwischen im Sinne des Wortes nackt-verletzlichem Sendungsbewusstsein und, wenn er etwa von der "ich-faschistoiden Selbstdiktatur" spricht, oberlehrerhaftem Besserwissertum) ihr verweigert. Ebenso ist sich Wenzel Banneyer als Herodes seiner selbstgefälligen Macht bewusst, wenn er Salome zum Tanzen auffordert, während sich seine Frau Herodias (alternd, rachsüchtig, zwischen verletzter Eitelkeit und schwindendem Einfluss gespielt von Susanne Stein), mit dem Hofstaat vergnügt.

Regisseurin Claudia Bauer stellt das Stück mittels einer gewissen Bagatellisierung der Wilde'schen Sprache und mit der passend ausgewählten, nie vordergründigen Musik des DJs Smoking Joe ins Zeitlos-Zeitgemäße zwischen "spätrömischer Dekadenz", Wirtschaftskrise der 1920er Jahre und kriselnder Gegenwart. Letztere wird angedeutet in dem mit Bildern der Prominenten, Verführer und Idole von Bin Laden bis Che Guevara und Kurt Cobain zugeklebten Kabinett, in das sich Salomé ab und zu zurückzieht, um von der Liebe zu träumen. Als Gipfel dekadenter Feierwut muss zwar wieder einmal eine ausufernde Tortenschlacht herhalten, doch Constantin Lücke als Junger Syrer, der sich gleich zu Beginn wunderbar theatralisch umbringen darf, Tilo Krügel, Hartmut Neuber, Sebastian Tessenow und Michael Pempelforth hauchen dem frivol-lasterhaften Hofstaat immer wieder mitreißend mimisch-gestisches Leben ein, was in der ausverkauften Premiere am Samstag für einiges Schmunzeln sorgt. Das freilich erstarrt am Ende, wenn Salome den Kopf des Jochanaan für ihren Tanz fordert, bei dem nun sie nackt und so verletzt wie verletzlich sich dem Hofstaat ausliefert - und sich vor dem toten Propheten rechtfertigt, sie habe doch nur getan, was er verlangt habe, habe ihr Verlangen zurückgestellt und eben das töten lassen, was sie am meisten zu lieben meinte. Hier wird eine Gesellschaft ad absurdum geführt, die sich allein ihren niederen Trieben hingibt, sich weder mit Zweck noch Ziel noch Grenzen ihres Daseins auseinandersetzt. Am Ende fragt Salome: "Was hätte ich den anders machen sollen?" Und die Antwort scheint ganz allein der Wind zu wissen.

Matthias Zwarg, Freie Presse, 14.05.2012

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Claudia Bauers "Salome" glitscht im Chemnitzer Schauspielhaus aus
Lieber Holländisch-Kirsch

Endlich! Lange, lange musste die Theaterwelt darauf warten, nun erlebt Chemnitz den großen Moment: eine Tortenschlacht. Auf der Bühne. Runde, weiße Sahnetorten. Mitten in die Gesichter. Es platscht und spritzt. Minutenlang.Bekleckerte Figuren. Mäßiges Mitleid mit dem Publikum in der ersten Reihe. Oben fällt König Herodes heftig auf die Nase und lang hin, mosert: "Nun bin ich ausgeglitten." So geht es auch Claudia Bauer mit ihrer Inszenierung "Salome" nach Oscar Wilde am Sonnabend im Schauspielhaus. Lieber eine simple Schnitte Holländisch-Kirsch, die bereitet mehr Bauchkribbeln.

Eigentlich große biblische Geschichte um Herodes, beruflich König von Judäa in der Zeit Jesus'. In Chemnitz ein anzugtragender Schnodderkopp, der seiner etwas nuttigen Stieftochter Salome hinterherschnürt, die haltlos und warum auch immer rattenscharf auf einen Hippie namens Jochanaan ist. Klar, der ist splitternackt, langmähnig, dazu Prophet, sagt auch viele kluge Dinge, verliert trotzdem zum Schluss seinen Kopf - mit dem dann in der Prinzessinnenkemenate herumgekusselt wird. Die ist rundrum mit Starfotos querbeet beklebt, etwa von Schauspiel-Depp, Zungen-Einstein, Sorgenprinz-Harry, Gitarren-Hendrix, Terror-Bin-Laden. Sonst ist die Bühne nicht der Rede wert. Darauf viel alberner Kuddelmuddel, seltsame Föhnfrisuren, jammernde Juden, rammelnde Römer, Soldaten. Ihren Chemnitzer "Peer Gynt" ließ die Bauer in Unterhosen auflaufen, Jochanaan ohne alles. Danke, dann doch lieber Unterhosen.

Bis zum durchaus nicht tosenden Premierenbeifall glitschen Akteure, Macher und Inszenierung über die schmierige Blut-mit-Sahne-Bühne. "Oh Gott, bin ich widerlich", tönt es. "Es geht um die Sache", wird gekeift. Herr im Himmel, um welche? Die Welt ist nach Claudia Bauer voller Knalltüten, die gern mal mit Tortenschachteln Sex haben. Wenn es doch so einfach wäre!

Nein, kleine Trüffelchen sind doch dabei: Wenzel Banneyer als macht- und rechthaberischer Herodes, Susanne Stein als abservierte Gemahlin Herodias - wie das Pärchen Abneigung, Torschlusspanik, Besserwisserei, Drang zu einem ehelichen Beischiafhopser, gut, auch Dekadenz vorführt, allein dafür kann man dann doch die 80 Minuten durchhalten. Ansonsten: lieber zu einem guten Konditor.

Ch. Hamann-Pönisch, Chemnitzer Morgenpost, 14.05.2012

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Video des Theaters

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Claudia Bauer inszenierte Oscar Wildes "Salome" am Chemnitzer Schauspielhaus

Nach Gombrowiczs "Yvonne, Prinzessin von Burgund" hebt das Chemnitzer Schauspiel gleich noch eine weitere verstörende Bühnenrarität in den Spielplan. Auf die meistens schweigende unfreiwillige Verführerin folgt jene, die ihren Begierden in den blumigsten Worten Ausdruck zu verleihen vermag: Oscar Wildes vor allem durch die Strauss-Oper bekannte "Salome". Claudia Bauer hält sich bei ihrer Inszenierung weitgehend an den durch das Neue Testament inspirierten Text und dessen Gegebenheiten, verpflanzt, verfremdet bzw. ergänzt aber Handlung und Aussagen in die Neuzeit.

Weil jedoch die Verhältnisse einer spätantiken nicht einfach auf die heutige Welt zu übertragen sind und auch Wildes schwärmerisch schwüler Text vor allem in den seinerzeitigen Tabubrüchen kaum noch nachvollziehbar ist, kommt es nahezu zwangsläufig zu Brüchen ins Absurde, Groteske, Lächerliche, Widerwärtige, Verächtliche. Sodom und Gomorrha ist eine Banalität am Hofe des Herodes (Wenzel Banneyer), der in einem gestylten Glaspalast residiert und auf seiner Geburtstagsfeier im eleganten Frack erscheint (Ausstattung Patricia Talacko, Bernd Schneider). Und beim Weg an die frische Luft mitsamt Gattin Herodias (Susanne Stein eher als gutbürgerliche Mutter denn Herrscherin) in der Blutlache des toten jungen Syriers (Constantin Lücke) ausgleitet.

Die Besudelung im wörtlichen und übertragenen Sinne ist ein Hauptmotiv in dieser Inszenierung, was aber insgesamt weniger expressiv, manchmal schräg, selten bestürzend, gelegentlich aber auch nur gewollt wirkt. Der schwer verliebte Anführer der Leibwache jedenfalls war beim Anblick der im kurzen Röckchen nach dem Propheten Jochanaan verlangenden Salome gleichsam zur Salzsäule erstarrt und hatte seinen Lebenssaft in einem andauernden, ersichtlich schlauchversorgten, aber dennoch lächerlich dünnen Strahl verströmt. Die von ihm, erst recht aber vom königliche Stiefvater Begehrte kommt sozusagen frisch aus dem Teenagerkokon, aus ihrem mit den Idolen des 20. Jahrhunderts tapezierten Mädchenzimmer, eine Blondine mit schlichtem Monroe-Touch. Im Spiel von Daniela Keckeis bleibt sie rätselhaft, weil sie nie düster oder verworfen, sondern immer begehrenswert erscheint und schließlich mehr als Opfer ihrer ungebändigten, weil unerwiderten Gefühle, denn als brutrünstige femme fatal. Dass ausgerechnet der gefangene Prophet sie entflammt, der hier, nur mit seinem hüftlangen Haar bekleidet, immer wieder wie ein Hippie-Messias über bzw. durch die Szene geistert (Bernhard Conrad), liegt wohl nicht allein an seiner Stimme und den so eigenartig berührenden Verkündigungen, die sich mit den vagen Gefühlen der jungen Frau treffen, sondern hat auch etwas Irrationales. Übrigens scheint er tatsächlich stark von ihr angezogen, fast ihrer Faszination zu erliegen. Da muss er sich noch mit einer anderen Argumentation als der generellen Verfluchung des begehrlichen Weibes zur Wehr setzen: Eine faschistoide Diktatur des eigenen Ich geißelt er, der Salome verfallen sei und gegen die nur Demut helfe.

Tasächlich herrschen an Herodes Hof Sinnentleerung und ein Narzissmus, der sich beim Herrscher gelegentlich mit kühlen Geistesblitzen und liberalen Anwandlungen schmückt. Die Gesellschaft gerät zur marionettenhaften austauschbaren Staffage; mal sind es Juden, die sich ereifern, ob es Engel gebe oder nicht, mal Römer, die zur der Feier erscheinen, die mit einer Tortenschlacht und netten Schießmichtot-Revolverspielen ihre unterhaltsamen Höhepunkte findet. Bis das Kind eigentlich ins Bett muss. Aber dann doch noch tanzen soll. Aber sie tanzt eigentlich gar nicht, sondern nähert sich nur und setzt sich ganz ohne Schleier auf den Schoß ihres Stiefvaters, um das Haupt des Jochanaan in einer Schüssel zu verlangen. Der Lebemann versagt wie vorgesehen, aber wissend, die Mutter triumphiert umgeben von Weibern wie Hyäne, nur Jochanaan begreift nicht sein Schicksal. In schwarzer Montur erscheint er schließlich mit seinem Kopf unter dem Arm als Opfer seiner Ideologie und lässt sich von Salome küssen, so dass sie begreift, dass alles zu spät ist. Herodes' Befehl ("Man töte dieses Weib") stellt keine Ordnung wieder her, zerstört höchstens den letzten Funken Hoffnung.

Man kann die Inszenierung provokant, kurzweilig, widersprüchlich finden, manches ihrer Mittel aufgesetzt oder buchstäblich an den Haaren herbeigezogen, aber sie versinnbildlicht nicht nur eine durchaus reale Dekadenz, von der man sich geekelt oder auch nur gelangweilt abwenden kann, sondern schafft auch immer wieder Momente, in denen der Atem stockt und fast so etwas wie eine neue Ahnung aufkommt, dass jemand Zukunft weissagen und dass der Mensch sich danach richten könnte.

Tomas Petzold , Dresdner Neusten Nachrichten

 


 

 

 

  Erstellt am 20.06.2015