Elfriede Jelinek
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"Rechnitz (Der Würgeengel)" | ||
Premiere
am 17. März 2012
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Regie: Enrico Lübbe | ||
Bühne: Hugo Gretler | ||
Kostüme: Michaela Barth |
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Text - Theater Chemnitz !!! |
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Die Premiere spielten: | ||
Die
Boten
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Ellen Hellwig |
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Daniela Keckeis | |
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Hartmut Neuber | |
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Michael Pempelforth | |
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Sebastian Tessenow |
KRITIK: Vom Töten
und Totschweigen
Elfriede Jelineks
"Rechnitz (Der Würgeengel)" erzählt keine Geschichte,
aber es hat eine Vorgeschichte: Das Massaker an 180 jüdischen Deportierten
durch die Gäste einer SS-Abendgesellschaft auf dem Schloss der
Gräfin Batthyány im österreichischen Rechnitz, für
das bis heute keiner zur Rechenschaft gezogen wurde, das nicht einmal
genau rekonstruiert werden konnte - weil sich keiner daran erinnern
will. Matthias Zwarg , Freie Presse, 19.03.2012 ___________________________________________________________ Lehrreiche Rülpser 180 Deportierte wurden am 24. März 1945 mit SS-Beteiligung offenbar als Partygag auf dem Schloss der Gräfin Batthyány im österreichischen Rechnitz getötet. Das Ganze hatte weiter keine Folgen, die adelige Gastgeberin züchtete später Pferde, erreichte satte 78 Lebensjahre und starb 1989 in der idyllischen Schweiz. Elfriede Jelinek hat es zu "Rechnitz (Der Würgeengel)" getrieben, um ihren heiß geliebten Ösis das Verdrängen, Vertuschen, Verniedlichen bis zum Kotzen einzutrichtern. Enrico Lübbes Inszenierung am Sonnabend auf der Hinterbühne des Chemnitzer Schauspielhauses verhilft nun 67 Jahre später nachdrücklich auch dem deutschen und sonstigen Rest der Welt zu lehrreichen Rülpsern. Irgendwie waren das auch Menschen, denen sei das Fleisch wie von den Knochen gefallen, die hätten ja auch nichts gegessen: Während eine alte Fregatte so entschuldigend vor sich hin schwadroniert, klatschen ununterbrochen Fressreste auf den Boden. Unvergesslicher Ekel für die Ohren und auch sonst angesichts einer Haxen-mit-Sauerkraut-schlingenden und herumsudelnden Bande von fünf "Boten" ganz dicht am Brechreiz. Aufräumen? Fehlanzeige. Das Begangene muss übergangen werden, heißt es. Eine Dusche beseitigt den gröbsten Dreck und der Rest kommt unter den Teppich. Ellen Hellwig, Daniela Keckeis, Hartmut Neuber, Michael Pempelforth und Sebastian Tessenow als Boten, also Täter, Verdränger, Mitwisser, Munkler, hangeln sich beklemmend glaubwürdig in einer abgepolsterten Umkleide-Ballsaal-Salon-Kulisse (Bühne: Hugo Gretler) durch den Jelinek-Text. Dann werden die Flinten herausgeholt und auf das da draußen geballert, dazu Volkslieder wie "Juja, Juja, gar lustig ist die Jägerei" und "Das Elternhaus". Und wenn man denkt, es ist vorbei, geht es von vorne los, überall: großes Theater, das einem auf den Magen schlägt. Ch. Hamann-Pönisch, Morgenpost, 19.03.2012 ___________________________________________________________ Elfriede
Jelineks "Rechnitz" In Chemnitz Das
eiligst von hernach gleichfalls Ermordeten ausgehobene Massengrab blieb
bis auf den heutigen Tag unentdeckt. Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin
Elfriede Jelinek nahm sich dieses Ereignisses an, um auf das nach dem
Krieg allmählich einsetzende Vertuschen und Verharmlosen solcher
Gräueltaten zu verweisen und die Selbstgefälligkeit der Täter
zu entlarven. Personen mit Namen und Adresse sucht man in dem umfangreichen
Text vergebens. Dafür kommen Boten ins Spiel, Menschen, die Nachrichten
überbringen, für deren Inhalt sie nicht verantwortlich sind.
Oder haben gar die Täter die Gestalt der Boten angenommen? Wollen
sie mit ihren Worthülsen, ihrem geschwätzigen Sprechen, die
Geschichte zudecken, wie Monika Meister im Programmheft fragt? Joachim Weise, Blitz!, 15.04.2012
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Erstellt am 07.10.2013 | |||