Musical
von Mark Hollmann und Greg Kotis
Deutsch von Ruth Denny und Wolfgang Adenberg |
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"Pinkelstadt" | ||
Premiere
am 11. Februar 2006
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Musikalische Leitung: Michael Hinze | |
Regie: Uwe-Dag Berlin | ||
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Ausstattung: Hamster Damm | |
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Choreographie: Stephan Brauer | |
"Pinkelstadt"
spielt in einer Zukunft, in der nach einer Umweltkatastrophe das Wasser
knapp geworden ist. Es ist polizeilich verboten, private Toiletten zu
benutzen. In den öffentlichen Bedürfnisanstalten, die von unerbittlichen
Klofrauen bewacht werden, müssen jedoch hohe Gebühren gezahlt
werden. Wer gegen die Regeln verstößt und sich unerlaubt Erleichterung
verschafft, dem droht ein unfreiwilliger Aufenthalt in Pinkelstadt ...
Eines Tages kommt es in der Bedürfnisanstalt Nr. 9 zum Aufstand, denn Johnny, der neue Held der Revolution, hat beschlossen, auf sein Herz zu hören. Und sein Herz singt: Freedom! |
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Vor reichlich einem
Jahr hatte dieses Musical in Berlin Europapremiere, welches am Broadway
über drei Jahre lang ausverkauft war und dort mit insgesamt 16
Preisen ausgezeichnet wurde. Der Titel überraschte etwas: "Pinkelstadt
(Urinetown)". Aber keine Sorge: Pinkelstadt gibt es nicht wirklich,
es ist der Ort, mit dem man Kindern und rebellischen Menschen Angst
machen kann, zumindest versuchen es die Angestelten des Herrn von Mehrwerth
und die von ihm gekauften Politiker immer wieder. Doch wie in allen
Musicals haben die Kräfte der Angst gegen die Liebe und die Sehnsüchte
der Menschen keine wirkliche Chance ... Mit viel Humor,
Ironie und einer hinreißenden Musik haben Greg Kotis und Mark
Hollmann eines der intelligentesten und heitersten Musicals der letzten
Jahre verfasst. Die Idee zu "Pinkelstadt" kam Greg Kotis in
Paris, wo er aus einer persönlichen Notsituation heraus den grotesken
Einfall hatte, die Mechanismen der (nicht nur) wirtschaftlichen Machtverteilung
an Hand einer fiktiven Gesellschaft durchzuspielen, in der das wirtschaftliche
Leitprodukt die Wasserversorgung ist, die streng reglementiert ist.
Dazu kommt die Geschichte einer Revolte und eine Liebesgeschichte ...
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Alles
verrührt und mit Musik versetzt, die raffiniert und auf höchstem
Niveau Anklänge an die Großen des Genres integriert - hier
standen u.a. Eisler, Weill und Bernstein Pate.
Text - Theater Chemnitz !!! |
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Die Premiere spielten: | ||
Werdmehr
von Mehrwerth
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Frank Höhnerbach |
Jonny
Stark
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Stefan Wancura |
Freya
von Mehrwerth
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Muriel Wenger |
Elfriede
Fennichfux
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Antje Weber |
Wachtmeister
Kloppstock
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Tobias D. Weber |
Klein
Erna
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Carola Sigg |
Wachtmeister
Wampe
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Michael-Paul Milow |
Abgeordneter
Schmier
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Klaus Schleiff |
Wetzstein
Willi / Manager
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Ivan Gallardo |
Herr
Kaiser
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Christoph Letkowski * |
Alte
Frau / Johanna Stark
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Elvira Grecki |
Suppensuse
/ Mehrwerths Sekretärin /
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Polizistin
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Sylvia Bretschneider |
Hans-Heiner
Heinz / Der alte Stark /
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Manager
/ Polizist
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Tilo Krügel |
Das
grundschlechte Gretchen /
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Mme
Millenium / Polizistin
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Heide Kalisch * |
Der
knappe Knuth /
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Dr.
Rainer Reibach / Polizist
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Frank Horst * |
Eisberg
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Carsten Schmidt |
* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz | ||
KRITIK: Und dann geht es
doch gründlich in die Hose Eigentlich
ganz einfach: Ich muss mal. Jeder Mensch hat das Recht dazu. Wirklich?
Was passiert, wenn man nicht darf? Weil kein Kleingeld da ist und die
Macht des Kapitals die Klotür zuhält? Die Revolution ist dann
unausweichlich, und die Massen rollen sich schon zusammen; es fehlt
nur noch ein Anführer, der den Sturm auf die Bedürfnisanstalt
entfacht, der aber nicht einmal lieben darf und für das Bekenntnis
zu seinen Idealen zum Schluss sogar noch ermordet wird. Das Gute darf
dann pullern, wie es will; endlich ist die Qual vorbei. Reinhard Oldeweme, Freie Presse, 13.02.2006 ___________________________________________________________
Pinkelstadt Als erstes Stadttheater zeigt das Schauspielhaus Chemnitz die rabenschwarze Musical-Komödie, die in New York zum Sensations-Erfolg mutierte und 2004 in Berlin ihre deutsche Uraufführung feierte. Die Chemnitzer Inszenierung von Uwe-Dag Berlin ist noch zynischer und derber als das Original, zieht das Publikum aber andererseits mit viel Humor in ihren Bann. "Dies ist kein fröhliches Musical", so versichert uns der Erzähler, Wachtmeister Kloppstock, mehr als einmal im Laufe des Stücks. Der Trick bei "Pinkelstadt" ist, dass es sich eigentlich um eine bitterböse Sozialsatire um Korruption, Ressourcenverschwendung und die Machtstellung der Industrie handelt, das ganze aber so geschickt mit Komik gespickt und mit beschwingten Melodien sowie einer Vielzahl von parodistischen Elementen auf Musical und Film unterlegt wurde, dass das Stück letzten Endes zwar wirklich nicht "fröhlich", dafür aber über weite Strecken lustig ist. Von der Subtilität der deutschen Ur-Inszenierung im Berliner Schlossparktheater ist bei Uwe-Dag Berlins Fassung wenig übrig geblieben: Der Humor ist derber, die Anspielungen deutlicher. Dick aufgetragen wird sowohl, was die Sozialkritik betrifft, als auch bei den komischen Elementen. So rollt am Ende des ersten Aktes auf dem Höhepunkt der Aufruhren schon mal ein brennendes Autos über die Bühne, und beim schmalzigen Liebesduett "Hör' auf dein Herz" gehen die Titanic-Anleihen so weit, dass ein als Eisberg verkleideter Darsteller durch den Publikumssaal geht und sich vor dem (dem sprichwörtlichen Untergang geweihten) Paar aufbaut. Diese Holzhammer-Taktik funktioniert weitestgehend und sorgt für Unterhaltung und Biss. Dabei verzeiht man auch, dass die Grenzlinie zwischen Humor und Klamauk an einigen wenigen Stellen überschritten wird. Der Trend zu Extremen und zur Überzeichnung setzt sich bei den Charakteren fort. Kloppstock (Tobias D. Weber) ist hier anders als am Broadway und in Berlin nicht der liebenswerte Schurke mit verschmitztem Lächeln, sondern ein fieser Schläger, der auf dem Motorrad auf die Bühne fährt und sich auch schon mal am aufmüpfigen Punker-Girl Klein Erna (Carola Sigg) vergreift. Weber ist charismatisch und singt die Rolle mit passend harter Stimme, die vor allem beim Rap der Polizisten sehr gut zur Geltung kommt. Sigg kann darstellerisch überzeugen, verfällt aber bei den Gesangspassagen stellenweise mehr ins Kreischen, als es die Rollenauslegung erfordert hätte. Stark karikiert hat Uwe-Dag Berlin vor allem bei der Charakterisierung von Johnny Stark (Stefan Wancura), der zwar in Manier von Les Misérables-Studentenführer Enjolras die Flugblätter in die Luft wirft und zur Revolution aufruft, aber eigentlich mehr oder weniger zufällig zum Rebellenführer geworden ist und dabei offensichtlich komplett planlos ist. Da passt sogar der Umstand, dass Stefan Wancuras Singstimme zu wünschen übrig lässt, irgendwie ins Bild wobei die Frage offen bleibt, ob das besetzungstechnisch bewusst so angedacht war, um die vermeintliche Heldenfigur weiter zu demontieren, oder ob man hier vielmehr aus der Not eine Tugend gemacht hat. Muriel Wenger setzt als Freya von Mehrwerth mit starker Stimme und an Überdrehtheit grenzendem Enthusiasmus einen starken Gegenpol zu Wancuras halbherzigen Anti-Helden, und macht in jeder gemeinsamen Szene deutlich, wer in der kurzlebigen Beziehung von Johnny und Freya die Hosen an hat. Frank Höhnerbach macht seine Sache als böser Industriemogul Werdmehr von Mehrwert gut, ebenso wie Antje Weber als Toilettenfrau Elfriede Fennichfux, auch wenn man sich von beiden hier und da etwas mehr Charisma und Stimme gewünscht hätte. Das Bühnenbild ist mehr oder weniger statisch; das ist im Grunde aber auch gut so, denn die Kostüme und die Choreographie sind bunt und abwechslungsreich genug. Bei der Choreographie hat Stephan Brauer ganze Arbeit geleistet die Tanzszenen sind nicht nur schön anzusehen, sondern passen auch wunderbar ins Geschehen und haben dabei manchmal sogar noch ihre eigene parodistische Wirkung, wie etwa bei der Riverdance-Einlage in "Was ist Pinkelstadt?" zu Beginn des zweiten Akts. Die Melodien von Mark Hollmann sind eingängig und im Gegensatz zum Inhalt des Stückes fröhlich. Dabei weisen die Songs eine erstaunliche Bandbreite auf, ohne dass das Gesamtwerk an seiner Homogenität verliert. Nicht zuletzt auch hierbei wird deutlich, dass es sich bei der Aufführung im Chemnitzer Schauspielhaus weder um eine Kopie der Originalinszenierung noch der Berliner Fassung handelt. Die Chemnitzer Arrangements von Michael Hinze unterscheiden sich bisweilen von den Original-Arrangements, reihen sich aber ebenfalls nahtlos in das musikalische Schema des Stückes ein. Das ist symptomatisch für die gesamte Aufführung: innovativ, provokant und mit wenigen Abstrichen wirkungsvoll. Claudia Leonhardt, musicalzentrale ___________________________________________________________ Viel Beifall für
Chemnitzer "Pinkelstadt" Noch
höhere Gebühren? Die Volksseele kocht: Schüsse mit Toilettenpapierrollen,
ein schmieriger Politiker wird mit Gummimuffen-Rohrreiniger (sollte
in keinem deutschen Haushalt fehlen!) erlegt, eine aufgebrezelte Firmentusse
verliert mittels einer Klobrille ihr schönes Leben. Ch. Hamann-Pönisch, Morgenpost, 13.02.2006 ___________________________________________________________ Die Not mit der Notdurft Es lief erfolgreich am Broadway, und das ist kaum zu glauben. Denn die Amerikaner haben schon bessere Musicals gesehen: mit tollen Geschichten, Fantasie und interessanten Typen. All das hat "Pinkelstadt" von Greg Kotis und Mark Hollmann nicht zu bieten. Da gibt es nur einen merkwürdigen Erzähler, der anfangs für alle Blöden das Genre definiert und später für die noch Blöderen die Geschichte erklärt. Und es gibt lächerliche Gestalten, die sich regelmäßig vor einer Bedürfnisanstalt treffen, um zu klagen und zu singen. Denn wegen Wassermangels ist es nicht mehr erlaubt, sein Geschäft daheim zu verrichten. Alle müssen die öffentlichen Toiletten benutzen - gegen eine horrende Gebühr. Und natürlich steht es unter Höchststrafe, gegen diese Vorschrift zu verstoßen. Da hat die Politik nach Schmiergeldaffären und Kungeleien mit dem Abwasserkonzern ganze Arbeit geleistet. Aus der Not mit der Notdurft wird ein Symbol für die unlösbaren Probleme der modernen Welt. Auch Dramaturg Wilfried Buchholz hatte wohl, so lässt es zumindest das Programmheft vermuten, all die tickenden Zeitbomben unserer monopolisierten Gesellschaft im Sinn, von ständig steigenden Ölpreisen bis zur Katastrophe in New Orleans mit hilflosen Menschen, die nicht mal mehr von ihrem eigenen Land angemessenen Schutz erwarten können. Doch Regisseur Uwe-Dag Berlin interessierte sich wenig für die Metaphorik der Story. Er erzählte vielmehr eine alberne Geschichte, bot zuweilen eine Persiflage an, dann wieder Klamauk. Und das Ensemble eierte wacker durch das konzeptarme Werk. So etwa Stefan Wancura, der als Anführer der Aufständischen zuerst ganz inbrünstig den Aktivisten gibt, sich dann aber irgendwann selbst nicht mehr ernst nimmt und über die Idee von Freiheit singt, als sei es etwas Absurdes. Es plätschert so dahin Oder Muriel Wenger. Als Tochter des raffgierigen Pissoir-Besitzers spielt sie anfänglich die süße Kleine, um schwuppdiwupp zur selbstsicheren Frontfrau der Revolutionäre zu werden. Und Antje Weber macht aus der unnachgiebigen Kassenfrau an der Pinkelbude letztlich noch eine frivole Mutti. Schlüssig ist das alles nicht, und das merkt man den Akteuren auch an. Immer wieder flüchten sie in Affektiertheiten und bedienen Rollenklischees. Die Choreografien von Stephan Brauer sind so einfallslos, dass nicht einmal die tolle Musik diesen Abend retten kann. So lacht das Publikum mal kurz, wenn mitten im Liebesduett ein Eisberg mit Ventilator heranrollt, um aus der schmusigen Szene das berühmte Di Caprio-Winslet-Motiv aus "Titanic" zu machen. Oder wenn die Entführer ihre Geisel echt irakisch mit einer Tüte überm Kopf festhalten. Denn mehr als ein paar gute Gags bekommen die Zuschauer nicht geboten. "Pinkelstadt" ist in Chemnitz nicht mehr als das, was der Titel schon andeutet: Eine Inszenierung, die einfach so dahin plätschert. Jenny Zichner, Sächsische Zeitung, 13.02.2006 ___________________________________________________________
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Erstellt am 02.03.2006 | |||