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Ein Stück aus Musik
von Torsten Krug, Alexander Suckel und Eva Wemme
  "The Lonely Hartz Club"
 
Premiere am 23. September 2006
     
 
Musikalische Leitung: Alexander Suckel
    Regie: Torsten Krug
 
Ausstattung: Jan Steigert
     

"Auf den ersten Blick ist der Lonely Hartz Club eine Imbissbude wie jede andere; ein merkwürdig bunter Kiosk, der sich zwischen den Pfeilern der heil erleuchteten Hochbahn behauptet. Es gibt Würstchen, kalte Getränke und das Gefühl, für die Dauer einer Zigarette - oder eines Songs - einen Ort gefunden zu haben, an dem man willkommen ist.
Aber der Lonely Hartz Club ist auch ein Ort, an dem zwischen Menschen, deren Gemeinsamkeit eigentlich nur in ihrer Arbeitslosigkeit besteht, schließlich für einen Moment lang Solidarität entsteht. Und das Bewusstsein, dass es sich lohnen könnte, nicht nur blind für die Träume von Konzernbossen und Politikern zu kämpfen, sondern für die eigenen. Der Besitzer, eine mehr als ungewöhnliche Gestalt, spricht zwar kein perfektes Deutsch, aber dafür eine Sprache, die alle verstehen: die Sprache der Musik. Und die ist ansteckend.
Hier stranden die verschiedensten Menschen, gehetzt von Ämtern, Angst und anderen Katastrophen. Beim Sound der Bahnhofs-Band, in der heruntergekommene Anssteiger Gitarre spielen wie junge Götter, vergessen alle, dass man im Lonely Hartz Club eigentlich nur einen Schluck trinken wollte, um dann wieder in den Alltag zurückzukehren. Denn warum soll man nicht das "Underdog"-Sein einfach mal zum Ideal erheben? Warum nicht die Kraft der Beats gegen die kräftezehrende Erniedrigung setzen, die von einer moralisch erstarrten Gesellschaft ausgeht? Musik gibt aufmüpfigen Lebensmut, sie geht jedem gesellschaftlich noch so untauglichen "Loser" ins Blut und sagt: Rock it baby when you get die Blues!
Text - Theater Chemnitz !!!
 
Die Premiere spielten:
Kioskbesitzer
-
Ivan Gallardo
Alter arbeitsloser Herr
-
Klaus Schleiff
Arbeitsloser mit Fahrrad
-
Stefan Wancura
Arbeitsloser mit Karton
-
Michael Pempelforth
Junge arbeitslose Mutter
-
Maike Jebens
Junge Frau mit Zukunft
-
Sylvia Bretschneider
Kind
-
Tiberius Klose / Laurin Busse **
     
** Mitglieder der Statisterie der Theater Chemnitz gGmbH
 

KRITIK:

Treff der Verlierer
Schauspiel. Chemnitz startet die Saison mit Musik im "Hartz Club".

"Hier blieben wir, hier ist es schön", meint der Junge, der seine arbeitslose Mutter (Maike Jebens) in den "The Lonely Hartz Club" unter die Bahntrasse begleitet. Es ist kein wirklicher Club, es ist eine kleine Imbissbude, die ein Ausländer (Ivan Gallardo) betreibt, der kaum Deutsch spricht.

Schicksale, Träume, Wünsche

Trotzdem treffen sich hier Tag für Tag Arbeitslose, die nichts zu tun haben, aber reden wollen: Ein älterer Herr (Klaus Schleiff), der immer wieder zu sinnlosen Bewerbungsgesprächen geht und seiner Familie von dem Jobverlust noch nichts gesagt hat. Ein Mann (Stefan Wancura), der seinem Ex-Arbeitgeber die Leuchtreklame zerschlug. Ein junger Akademiker mit Pappkarton (Michael Pempelforth), in dem er die Urne seiner Mutter mit sich herumträgt. Ab und zu kommt eine kühle Schönheit (Sylvia Bretschneider) vorbei, die noch Arbeit hat.
Sie erzählen ihre Schicksale, Träume und Wünsche - mit Musik. Die Lieder in dem Stück von Torsten Krug, Eva Wemme und Alexander Suckel stammen u. a. von den Beatles, von Veronika Fischer, Liza Minelli und Metallica oder sind bekannt wie der Schlager "Schenk mir einen bunten Luftballon". Spätestens beim Buena Vista Social Club sind die Arbeitslosen, die sich anfangs kaum füreinander interessierten, zum "Lonely Hartz Club" zusammengewachsen, und sie ändern sich. Der heimliche Arbeitslose sagt es einer Frau. Die kühle Schönheit, die ihren Job verliert, wird aufgenommen, und sogar die Schlinge, die der hoffnungslose Akademiker knüpft, wird nur eine Schaukel für den Jungen. Doch die Idylle wird zerstört. Es kommt die Mitteilung, dass der Kiosk abgerissen wird. Aber die Arbeitslosen verzweifeln nicht, sie versammeln sich, um Neuland zu betreten.
Das alles wird von einer Vier-Mann-Live-Band unter Leitung von Alexander Suckel begleitet, die viel Beifall erhielt. Denn obwohl die Geschichte traurig sein könnte, ist sie es nicht. Es ist Musiktheater ohne Bitternis und ohne übliche kollektive Depression. Das Chemnitzer Premierenpublikum hat sich bei der Uraufführung am Sonnabend hervorragend unterhalten.

Brigitte Pfüller, Sächsische Zeitung, 25. September 2006

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Hochgeschaukelt
Viel Beifall für "Lonely Hartz Club"

Heiße Latin-Party im kalten Beton-Stahl-Ambiente.
Der Imbissmann dreht den Wackelhintern nach oben. Doch bei den Arbeitslosen am Kiosk will die Post nicht abgehen.
Torsten Krug, Eva Wemme und Alexander Suckel haben versucht, aus Zeitgeist, Ohrwürmern, Sozialkritik, Witzen und einer Prise echtem Humor im Schauspielhaus einen Clubabend zu basteln. Das ist bewundernswert, das Ergebnis drollig - "The Lonely Hartz Club". Hinter "Sergeant" Suckels Band dreht sich eine Bahnbrücke. Oben irrlichtern Züge, für die unten sind sie alle abgefahren. Mit scharfer Stimme bekommt man manchen Song agitatorisch um die Ohren gehauen. Wenigstens der Rest ist gut. Willkommen im Musikantenstadl, es reicht von "Bunten Luftballon" über Brecht, Vroni bis Rap. Alle müssen höllisch zwischen Witzfigur und Menschenwürde balancieren und kommen meist nicht ins Straucheln: Ivan Gallardo, Klaus Schleiff, Stefan Wancura, Michael Pempelforth, Maike Jebens, Sylvia Bretschneider. Einer greift zum Strick ... Weit gefehlt. Es wird eine Schaukel. Deutschland schaukelt sich hoch? Jedenfalls viel Beifall am Sonnabend.

 

Ch. Hamann-Pönisch, Morgenpost, 25.09.2006

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Willkommen Im Nischen-Club
Das Chemnitzer Schauspiel lud in den "Lonely Hartz Club" - mit durchwachsenem Erfolg

Chemnitz. Ein radelnder Möchtegern-Casanova schiebt Frust gegen die Kapitalisten-Schweine. Ein Intellektueller trägt die Asche seiner Mutter mit sich herum. Eine junge Mutter schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Einer bewirbt sich vergebens, eine wird gleich gefeuert und einer schenkt allen Kaffee aus: Willkommen im "Lonely Hartz Club", einer Imbissbude unterhalb einer S-Bahn-Station. Willkommen im Club der Arbeitslosen und - ein Lautspiel - im Club der einsamen Herzen. Am Samstagabend wurde er erstmals im Chemnitzer Schauspielhaus vom Regie- und Musikteam Torsten Krug, Eva Wemme und Alexander Suckel eröffnet.
Stücke über Arbeitslosigkeit waren der Trend der vergangenen Theater-Saison auf den deutschsprachigen Bühnen. Teils wurden sie uraufgeführt wie Moritz Rinkes "Café Umberto", teils nahm man Arbeitslosen-Klassiker ins Programm wie "Die Heilige Johanna der Schlachthöfe", die auch noch in Chemnitz läuft. Jetzt greift das Schauspiel eine Idee des Dresdner Staatsschauspiel auf, das, sich mit "Hartz IV - Das Musical" der leichten Muse bedient hatte. Das Motto: Singen gegen das tägliche Elend.
Mit im Chemnitzer Club sitzen diejenigen, die sich Theater leisten können und wollen (etliche Sitze blieben leer). Rund zwei Dutzend Refrains und Lieder konnten sie hören, unter anderem von den Beatles, Udo Lindenberg, Wir sind Helden, von den Fantastischen Vier, Veronika Fischer, Cy Coleman, Nina Hagen, Franz Schubert und Robert Schumann. Die Textzeilen hören sich dann zum Beispiel so an: "Etwas Liebe, mal sich besaufen", "Ich steh im Regen und warte auf dich", "Wenn ich in Stimmung bin". In guten Momenten transportieren Lieder und Handlung das Gefühl, wie es ist (oder sein könnte), arbeitslos zu sein. Häufig aber verdichten sie sich nicht. Selten reiben sich die Refrains, dass jene berühmter Funke überspringt, der eine gute Collage ausmacht.
So wird es ein durchwachsene Abend. Die Live-Band spielt tadellos, die sängerischen Leistungen schwanken zwischen mäßig (Klau Schleiff) und gut (Sylvia Bretschneider). Insgesamt ist das für einen Liederabend zu wenig. Das sympathische Zusammenspiel des Ensembles, stellenweise Komik (Michael Pempelforth) und der geerdete Blues von Kioskbesitzer Ivan Gallardo entschädigen dafür. Gallardo stimmt auch das musikalische Motto des Abend an: "You gotta move" - du musst immer weiter machen, irgendwie.
Dieser Arbeitslosenblues dominiert den Abend, manchmal gibt auch aufmüpfigere Töne. Die Figuren sind recht flach gezeichnet, die Regie insgesamt zu unentschieden. "The Lonely Hartz Club' ist zwar besser als eine x-beliebige Nummernrevue und bringt doch wenig Erkenntnis. Am Ende finden die Arbeitslosen zu Solidarität und mehr Menschlichkeit. Arbeitslos ist man immer noch, einsam nicht mehr - der Nischen-Club genügt sich selbst. Und lud das Premierenpublikum von der Bühne weg zur gemeinsamen Feier ein - eine schöne Geste.

Daniel Gräfe, Freie Presse, 25.09.2006

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  Erstellt am 26.09.2006