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David Seidler
  "The King´s Speech - Die Rede des Königs"
 
Premiere am 09. Mai 2015
     
 
Regie: Herbert Olschok
    Ausstattung: Esther Kemter / Ulrich Schreiber / Joachim Herzog
     


Als der englische König 1936 durch einen handfesten Skandal als Repräsentant des Landes untragbar wird, richten sich alle Hoffnungen auf dessen Bruder Albert, den Herzog von York. Aber Albert hat ein Handicap: In Zeiten des Massenmediums Radio und der weltweiten Ausstrahlung politischer Reden ist er nahezu außerstande, überzeugend öffentlich zu sprechen - der Herzog von York stottert.

 

David Seidlers Schauspiel setzt ungefähr zehn Jahre vorher ein: Albert hält als Vertreter des Königshauses anlässlich der Empire-Ausstellung 1925 eine desaströse Rede vor 100.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion. Für ihn besteht kaum noch Hoffnung auf Heilung, da arrangiert seine Frau Elizabeth einen Termin bei dem unkonventionell arbeitenden Sprechtherapeuten Lionel Logue. Die erste Begegnung zwischen den ungleichen Männern scheint ihre letzte zu werden, denn der sensible und bisher sorgsam abgeschirmte Königssohn sieht sich mit einem Mann aus der australischen Provinz konfrontiert, der keineswegs in Ehrfurcht vor ihm erstarrt. Logue betrachtet Albert - genannt Bertie - vielmehr ausschließlich als zu behandelnden Patienten. Mittels eines Kunstgriffs gelingt es ihm, den Herzog von der Therapie zu überzeugen. Die nachfolgende Behandlung fördert schockierende private Erfahrungen Alberts, aber auch brisante politische Informationen zutage. Scotland Yard sowie einige Politiker im Umfeld des potentiellen Thronfolgers werden auf Logue aufmerksam. Auch Albert gefällt nicht immer, was sein Therapeut entdeckt, aber allen Vorbehalten zum Trotz entwickelt sich zwischen den so unterschiedlichen Männern eine herzliche und belastbare Freundschaft. Und ihnen gelingt das scheinbar Unmögliche: Albert beherrscht zunehmend seine Krankheit..

Text - Theater Chemnitz !!!

Die Premiere spielten:
Lionel Logue, Sprachtherapeut
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Philipp Otto
Myrtle Logue, seine Frau
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Ulrike Euen
Elizabeth, Herzogin von York
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Maria Schubert
Albert, Herzog von York, genannt Bertie
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Marko Bullack
David, Prinz von Wales, Berties Bruder
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Stefan Migge
Cosmo Lang, Erzbischof von Canterbury
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Stefan Schweninger
König George V.
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Stefan Schweninger
Winston Churchill
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Ulrich Lenk
Stanley Baldwin, Premierminister
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Christian Ruth
Wallis Simpson, Davids Geliebte
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Sindy Hohmann*, Katja Böhm*
Buttler
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Peter Heinicke*, Marco Winkler*, Jan Neumann*
Double Bertie
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Yves Klemm*
 

* Mitglieder der Statisterie der Theater Chemnitz

 
 

KRITIK:

Als der König sprechen lernte
Albert stottert. Wie Marko Bullack in Chemnitz aus dem gepeinigten Herzog einen respektablen König von England formt, ist eine Klasse für sich.

Rückblende: Colin Firth erhielt für seine Rolle als stotternder Herzog in der genialen Verfilmung "The King's Speech" von Tom Hooper 2011 einen Oscar als bester Hauptdarsteller, sein Therapeut war der teuflisch-schräge Geoffrey Rush. Am Sonnabend nun kam das Stück von David Seidler im nahezu ausverkauften Schauspielhaus (trotz Museumsnacht und hochklassiger Ballett-Gala in der Oper) zur umjubelten Premiere. Filmkenner werden die Story wiederfinden - dasselbe ist es trotzdem nicht. Die Inszenierung beleuchtet genauer die Ursache des Stotterns - die in einer furchtbaren Kindheit liegen. Genauer schaut sie auch auf den erstgeborenen Bruder und dessen Sympathien für Hitlerdeutschland. Besonders die Krise des englischen Königshauses 1936 wird in der Inszenierung zur tragenden Idee. Marko Bullack wurde gefeiert für sein grandioses Spiel als "Bertie" Albert, Herzog von York. Der Schauspieler, ehemaliger Tänzer, verfügt über eine brillante, sensible Körpersprache, spiegelt in der Mimik vollendet die Unsicherheit und Pein seines Helden. Gleichzeitig pflegt der Herzog im Bewusstsein seiner Herkunft jegliche Standesdünkel.
Auch Philipp Otto punktet als Lionel Logue mit rüpelhaftem Charme. Beide schenken sich nichts, wenn sie ihre Charaktere entwickeln, (fast) Freunde werden und ihren Platz in der Geschichte Englands finden. So feinsinnig der eine, so derb der andere, wobei sich dieses Verhältnis gelegentlich umkehrt: So gelingt es, statt des stotternden, öffentlichkeitsscheuen Herzogs einen souverän agierenden Herrscher ans Mikrofon zu stellen, der zum Kriegseintritt gegen Deutschland die richtigen Worte an sein Volk sagt.
Darauf läuft alles hin, doch der Weg ist steinig. Der feine Bertie muss lesen, Musik hören und dabei lesen. Er darf "Scheiße" und "Fuck" sagen, wenn er nicht weiterkommt. Vor allem aber soll er begreifen, dass er eine Stimme hat und nicht manipulierbar ist.
Herbert Olschok, von 1994 bis 2000 in Chemnitz Schauspielchef, ist nach langer Zeit zurück und legt ein starkes wie elegantes Stück vor. Er gibt seine Helden, so unvollkommen sie auch sein mögen, nicht der Lächerlichkeit preis, obwohl viel gelacht wird. Beide bleiben auf Augenhöhe, wenn auch mit der nötigen Distanz. Olschok inszeniert das ruhige Stück mit Fokus auf feinsinnige Dialoge, die es in ihrer Hintergründigkeit zu genießen gilt - mit einer Ausnahme: der furiosen Tanznummer von Stefan Migge als sündigem König, der sich in eine schöne Amerikanerin (Sindy Hohmann) verliebt hat. Maria Schubert als Herzogin von York verdankt die Inszenierung Anmut, stilsicher vom Scheitel bis zur Sohle. Ihr Gegenüber ist die warmherzige Myrtle (Ulrike Euen), der der Hofknicks gar nicht erst ein fällt. Gut besetzt auch das politische Personal (Stefan Schweninger, Ulrich Lenk. Christian Ruth), das im Hintergrund Strippen zieht. Esther Kemter und Ulrich Schreiber haben die Bühne mit der kalten Pracht von rotem Marmor passend für königliche Räume im Stil der Zeit gestaltet. Eine Augenweide sind die Kostüme, denn Joachim Herzog hat seine Helden in edelstes Tuch gesteckt.

Marianne Schultz, Freie Presse, 12.05.2015

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"Ich habe eine Stimme"
Das Schauspiel hat den oscargekrönten Kinohit "The King's Speech - Die Rede des Königs" (vier Oscars) auf die Bühne gebracht. Jetzt war Premiere.

Die Inszenierung von Herbert Olschok (64, Schauspielchef von 1994 bis 2000) muss sich hinterm Film nicht verstecken. Das Stück besticht durch Ausstattung mit Kostümen im 1930er-Jahre-Stil und durch ein grandioses Ensemble. Voran Marko Bullack (43) als wunderbar stotternder Herzog Bertie und Phillipp Otto (41) als Sprachlehrer Lionel, der den Stand seines Klienten nicht ganz ernst nimmt, ihm mit viel Ironie entgegentritt. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, besonders Ulrich Lenk (48) bleibt als Winston Churchill in Erinnerung. Einzig Stefan Migge (33) als Prince of Wales kann - zumindest optisch - nicht überzeugen, da er für die Rolle zu jung wirkt.
Darum geht's: Anlässlich der Empire-Ausstellung 1925 muss Herzog Albert (Vater der heutigen Königin Elisabeth) eine Rede halten, scheitert dabei wegen Stotterns kläglich. Seine Frau Herzogin Elisabeth (die spätere "Queen Mum") findet Sprachlehrer Lionel Logue. Der gibt dem Herzog Selbstvertrauen. "Ich habe eine Stimme!", ruft der Blaublüter am Ende verzückt.

Victoria Winkel, Chemnitzer Morgenpost, 12.05.2015

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"THE KING'S SPEECH"

Von einer Rede ist hier die Rede, von der, historisch gesehen, nicht nur einmal die Rede war. Gehalten wurde sie von George VI. aus Anlass von Großbritanniens Beitritt zur Anti-Hitler-Koalition. Nun halten Monarchen bekanntlich zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen Reden, die oftmals keiner Rede wert sind. Wenn jedoch ein bislang öffentlichen Auftritten peinlichst ausweichender Mann vor das Weltenforum tritt und der Appeasement-Politik Chamberlains eine eloquente Abfuhr erteilt, erheischt solcher Umstand höchste Aufmerksamkeit. Wie es dazu kam, behandelt des Anglo-Amerikaners David Seidler Stück von der "Rede des Königs", das noch vor desselben Autors Drehbuch zu Tom Hoopers gleichnamigem Film entstand, aber erst nach dessen grandiosem Erfolg 2012 am Guildforder Yvonne Arnaud Theatre uraufgeführt wurde. Mit feinem, tragische Momente durchaus einbeziehendem Humor erzählt Seidler die Geschichte zweier Männer, von denen der eine zwar kann, aber nicht darf, während der andere darf bzw. soll, aber nicht kann. Der eine, Lionel Logue, ein australischer Mime, verlässt samt seiner als Verkäuferin zum Lebensunterhalt beitragenden Frau Myrtle, sein Land, um in England ihm bis dato versagten Erfolg zu erlangen. Da dies (warum auch immer) misslingt, verdient er sich nun als Sprachtherapeut die Brötchen. Der andere, Albert, seines Zeichens Herzog von York, Sohn des englischen Monarchen GeorgeV., steht in der Thronfolge und der Gunst des Vaters an zweiter Stelle, versagt er doch, außer im Beisammensein mit seinem Ehegespons Elizabeth, infolge eines in frühester Kindheit erworbenen Sprechfehlers (kurz gesagt: er stottert unüberhörbar) in der Öffentlichkeit aufs Blamabelste. Dieses peinliche Handicap soll Logue korrigieren, ein Auftrag, der desto dringlichere Gestalt annimmt, als Alberts bislang vom Glück begünstigter Bruder David, mittlerweile König Eduard VIII., auf Grund nazifreundlicher Gesinnung und der beibehaltenen Beziehung zu seiner halbseidenen amerikanischen Geliebten Wallis gezwungen wird, abzudanken. Auf dem frei gewordenen Thronsessel nimmt nun Albert (als George VI.) Platz. Wie Seidler den Weg der beiden Männer bis zu diesem historischen Akt als keineswegs konfliktfreie Beziehung beschreibt, ist allein schon der Lektüre wert. Zu deren Umsetzung auf der Bühne gewann man mit Herbert Olschok einen Regisseur, dem Selbstbespiegelung jeglicher Art zuwider ist, der dafür sein Handwerk perfekt beherrscht, Vorzüge, von denen die Chemnitzer während seines Wirkens als hiesiger Schauspieldirektor (1994 bis 2000) profitieren konnten.

Und Olschok ward seinem Ruf in beglückendem Maße gerecht. Der Zuschauer erlebt eine aus einem Guss berichtete Geschichte, die der Regisseur mit dem ihm eigenen Gespür für dezente Komik anreichert, dabei Tragisches nicht unterschlagend, das einem Manne widerfährt, der auf eigenen, vordergründigen Erfolg verzichtet, um seinem Klienten auf dem dornenreichen Weg der Selbstfindung zu begleiten. Dafür stehen der Regie zwei prächtige Mitstreiter zur Verfügung. So präsentiert sich Marko Bullack eingangs als total verunsichertes, von der Umwelt hämisch beäugtes Bündel Unglück, ein Ungemach, dem er nicht nur vokal, sondern gleichermaßen mit seiner Körpersprache beredten Ausdruck verleiht. Sein bei der ersten Begegnung mit Logue vor sich her getragenes, aufgeplustert anmutendes Selbstbewusstsein soll lediglich die ihm zutiefst innewohnende Verunsicherung übertünchen. Wie sich Albert im Verlauf der Therapie noch oftmals selbst im Wege stehen wird, wie schwer es ihm fällt, den Therapeuten als Partner zu begreifen, macht Bullack mit einer Fülle darstellerischer Nuancen glänzend deutlich. Als Logue besticht Philipp Otto erneut mit einer von ihm brillant gemeisterten Aufgabe. Wobei "brillant" u.U. das weniger zutreffende Wort für die von diesem Manne eingesetzten Mittel ist. Denn nichts liegt dem Mimen ferner, als rein artistisch routinehaft zu glänzen, liebt er doch eher die introvertierten Töne, die er so bedacht verwendet, dass der Gesamteindruck ein desto tieferer ist. Da sind die sparsam gesetzten Ausbrüche dann eher der Punkt auf das I. Und weil Otto ein Freund des gedämpften, behutsam ziselierten Humors ist, verkommt bei ihm (und Bullack) das Stück nie zur Klamotte.

Nach ihrer großartigen Jeanne (Anouilh) bewährt sich Maria Schubert nun in einer völlig anders gelagerten Rolle. Wie es ihr gelingt, den Wandel der Elizabeth von einer zunächst Logue gegenüber den Standesunterschied herauskehrenden Person alteingesessenen Adels zu einer Mitstreiterin am Gelingen einer von zahlreichen Rückschlägen begleiteten Aufgabe ins rechte Bild zu rücken, wie sie ihrem Albert aus Liebe und die Politik bewusst ins Kalkül ziehendes Weib auf seinem Weg begleitet und wenn es sein muss, ihm diesen Weg vorgibt, all das wird von der Künstlerin klar und eindringlich auf die Bühne gebracht. Aber auch Ulrich Lenk als gewitzter, die politischen Verhältnisse gewieft nutzender Churchill und Stefan Schweninger (der schlitzohrig intrigante Erzbischof von Canterbury) standen ihren Mann im Rahmen eines durchweg entzückenden Ensembles, zu dem noch Stefan Migge zu rechnen ist, der sich von seinem Hamlet bis zum König in der erwähnten "Jeanne" noch nie auf den Holzweg begeben hat und nunmehr den Prinzen von Wales als köstlichen, überheblichen Bruder Leichtfuß anlegte. Zudem empfahl er sich mit einer bravourösen Tanzeinlage, bei der ihm seine Geliebte Wallis (Katja Böhm vom Chemnitzer Tanzinstitut Köhler-Schimmel) keinen Deut schuldig blieb. Die für eine erkrankte Kollegin eingesprungene Susanne Stein imponierte als derb-liebenswerte Myrtle, als Premierminister Baldwin ergänzte Christian Ruth.

Esther Kemter und Ulrich Schreiber schufen ein einfaches, rasche Szenenwechsel garantierendes Bühnenbild, das reichlich Atmosphäre für sich beanspruchen konnte. Die historisch wunderbar nachempfundenen Kostüme waren Joachim Herzog zu verdanken.

Joachim Weise, Online Merker, 14. 6.2015

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  Erstellt am 21.06.2015