Gerhild Steinbuch nach Wilhelm Hauff
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"Das kalte Herz" (Uraufführung) | ||
Premiere
am 26. November 2011
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Regie: Schirin Khodadadian | ||
Ausstattung: Carolin Mittler | ||
Musik: Katrin Vellrath |
Peter möchte ein anderer sein. Er will ein anderes Leben. Doch die Zeiten, in denen man an das Glasmännlein glaubte, das einem Sonntagskind zum Glück verhilft, oder in denen man sich vor dem Holländer Michel fürchtete, der einem das Herz herausriss, sind vorbei. |
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184 Jahre nachdem Wilhelm Hauff die beklemmende Geschichte des Peter Munk ersann, hat die junge österreichische Autorin Gerhild Steinbuch das Märchen noch einmal gelesen, mit ihren Augen, in einer Gegenwart, die immer noch den Wunsch nach dem Wünschen kennt. In ihrer Geschichte vom kalten Herzen sind den Menschen statt Märchen nur Träume geblieben. Die Sehnsucht wird dadurch nicht kleiner - aber was passiert, wenn die Träume noch enger sind als die Wirklichkeit? Steinbuchs Figuren wird das Geschichtenerzählen zum Versuch, der Gegenwart zu entkommen. Sie suchen in selbst geschaffenen Realitäten einen Weg, gegen die inneren und äußeren Fragen anzuspielen. Peter Munk erfindet sich ständig neu und erträumt den ultimativen Lebensentwurf, in der seine Familie eine strahlende Glücksgemeinschaft ist und er der Mittelpunkt einer Welt aus Kindheitsidyllen... Gerhild Steinbuchs Schreiben kommt aus den Tiefen einer schroffen, beengenden Atmosphäre, in der die Figuren sich ein neues Leben ersehnen und wie Peter Munk den Ausbruch in die Welt erträumen. Mit ihrer Version des Kalten Herzen lockt sie uns in unbekannte Sphären, losgelöst von alltäglichen Situationen. Sie eröffnet poetische Räume, entsprungen aus der Welt Hauffs und der Welt heute, in der immer noch ein Glasmännlein lebt. Erstmals wird sich mit dieser Produktion auch die Regisseurin Schirin Khodadadian dem Chemnitzer Publikum vorstellen. Stationen ihrer bisherigen Arbeiten waren u.a. das Theater Ingolstadt, Theater Erlangen, Staatstheater Kassel, Theater Bonn, Staatstheater Nürnberg, Grillo Theater Essen, das Bayerische Staatsschauspiel und das Volkstheater Wien. 2005 erhielt sie den Förderpreis für Regie der Deutschen Akademie für Darstellende Künste. Mit der Bonner Uraufführung von Sibylle Bergs Die goldenen letzten Jahre, die mit großem Erfolg während des Festivals CHEMNITZ schönste Blume des Ostens! am Schauspiel Chemnitz als Gastspiel zu sehen war, wurde sie 2009 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Auftragswerk der Theater Chemnitz Text - Theater Chemnitz !!! __________________________________________________________
Armer Tropf und
böser Bube
"Das kalte Herz" prangt in großen roten Lettern am Chemnitzer Schauspielhaus als Motto für die ganze Spielzeit. Wilhelm Hauffs gleichnamiges Märchen wird am Samstag hier in der Version von Gerhild Steinbuch uraufgeführt. Zu erleben sein wird ein Stück, das heraus aus dem Wald hinein in eine gegenwartsreale Häuslichkeitswelt führt - voller Sehnsucht und Lügen. Uta Trinks sprach mit der jungen österreichischen Autorin. Freie Presse:
"Das kalte Herz" ist eines der düsteren Märchen.
Was fanden Sie spannend an dem Stoff? Freie Presse:
Wie sind Sie als Autorin vorgegangen beim Schreiben? Freie Presse:
Also wird es das Glasmännlein und den Holländer-Michel gar
nicht geben? Freie Presse:
Wird man nun ein Märchen oder eine heutige Geschichte erleben? Freie Presse:
Was ist der Kohlenmunk-Peter für Sie: ein armer Tropf oder ein
böser Bube? Freie Presse:
Träume, Wünsche, Sehnsucht nach dem Glück treiben die
Figuren im "Kalten Herz" um. Was steht einer Erfüllung
im Wege? Freie Presse:
Kennen Sie die Defa-Verfilmung "Das kalte Herz"? Freie Presse:
Welche Rolle haben Märchen in Ihrer eigenen Kindheit gespielt? Freie Presse vom 24.11.2011 |
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Die Premiere spielten: | ||
Peter
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Sebastian Tessenow |
Lisbeth
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Caroline Junghanns |
Mutter,
Peters Mutter
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Muriel Wenger |
Michel,
Peters Vater
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Wenzel Banneyer |
Glasmann,
Mutters Freund
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Hartmut Neuber |
Schlurcker,
Freund von Peter
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Karl Sebastian Liebich |
Ezechiel,
Freund von Peter
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Urs Rechn |
KRITIK: Raus aus dem
Wald der Verlierer 90 Minuten Albtraum erlebten die Zuschauer in der Uraufführung "Das kalte Herz" von Gerhild Steinbuch am Schauspielhaus Chemnitz. Zu sehen ist ein derbes Stück surrealer Schein- und Traumwelten, die sich aus der Wirklichkeit verabschiedet haben und hart an den Abgrund menschlichen Miteinanders führen. Denn am Ende zerbricht die schlichte Welt der Schwarzwaldbewohner an der zunehmend blinden Tour de Force auf der Suche nach dem Glück, das immer neue Nahrung bekommt und trotzdem kein Ziel kennt. Was ist überhaupt Glück? Nie ist das herbeigelogene Glück groß genug. Die Besucher folgten aufmerksam und spendeten der Geschichte des Peter Munk (Inszenierung: Schirin Khodadadian) respektablen Applaus. Der ist ein netter Kerl, zunächst. Umzingelt ist er von einer schweißtreibenden wie peinlichen Familie und von urigen, Waldschrat-ähnlichen Freunden, die ebenso die Kumpels vom Fußballplatz sein könnten. Karikiert ist das Ganze deutlich in den Farben des Schwarzwalds. Kein Ort für
eine Dame Dämonische
Lockrufe Peter indes schafft sich eine Welt, die ihm nie genug ist. Eltern? Nein Danke. Die neue Wohnung ist schon bald zu eng. Lisbeth, seine Frau, lehrt ihn, fleißig zu lügen. Nur, dass sie ihre natürliche Intelligenz für Notlügen nutzt. Sie selbst bleibt authentisch, lügen ist nur ihr Prinzip. Caroline Junghanns spielt ein couragiertes Menschenkind, das keine Garantie gibt, nicht für die Liebe, nicht fürs Leben. Am Ende wird Peter seine Lisbeth begraben. Die zunächst unklare Rolle der beiden Väter - Glasmann (Hartmut Neuber) als Stiefvater und Michel (Wenzel Banneyer) als Irrer - bekommt Auftrieb in dämonischen Lockrufen. Banneyer ist von physisch packender Urgewalt, Neuber dagegen ein teuflischer Verführer. Peter wandelt sich vom Träumer in den Täter, der seiner Sippe kündigt und die Bodenhaftung verliert, um was Besseres zu sein. Sebastian Tessenow rennt in dieser Rolle der naiven Glückssuche hinterher und findet nichts. Die Inszenierung bietet für den intellektuellen Text starke Bilder an, doch nicht alles kann verstanden werden, weil sich das schwierige Gebilde einer wahnwitzigen Sinnsuche aus dem Schwarzwald immer stärker überlagert. Marianne Schultz, Freie Presse, 28.11.2011 ___________________________________________________________
Menschengerümpel Die Mutti blafft den Vati an: "Sag was, Arschloch!" Doch der rutscht stumm immer tiefer in die Polster, wird geradezu verschluckt von dem ausgeleierten Sofa. Nur der Kopp guckt raus - mit einem so perfide-blöden Lächeln, dass einem Angst wird um die Träume in der bevorstehenden Nacht. Chemnitz. Warum nur hat Wilhelm Hauffs zu Herzen gehende Geschichte vom Kohlenmunkpeter die österreichische Autorin Gerhild Steinbuch veranlasst, dem Schwarzwaldmärchen "Das kalte Herz" einen aktuellen Schrittmacher zu verpassen? Denn leider hat es da- mit so gut wie nix zu tun. Diagnose nach 100 Minuten Uraufführung am Sonnabend im Schauspielhaus: schleichender Herztod. Der Waldgeist "Holländer-Michel" ist hier Peters Erzeuger, schnitzt gern und kringelt sich unterm Tisch. Das Glasmännlein ist ein schnöseliger Bettgefährte von Peters Mutter, erfüllt sonst weiter keine Wünsche und schwafelt dummes Zeug. Traurig muss man auch als Sonntagskind nach dieser Inszenierung (Schirin Khodadadian) feststellen, wie es ist, im Theater von allen guten Geistern verlassen zu sein. Mit Peter, Lisbeth, Mutti, Schlurcker, Ezechiel sind insgesamt sieben ebenso von Gott, aller Welt und jeglichen Manieren verlassene Leutchen in einen holzmasertapezierten Kasten wie eingemauert. Dazu 1970er-Jahre-Wohngerümpel mit haufenweise Wand-, Tisch-, Stehlampen zum Dranrumknipsen (Bühne/ Kostüme: Carolin Mittler). Das Glück ist in weiter Ferne Allen fällt die Decke auf den Kopf, das Glück ist in weiter Ferne. Aus einem einst stolzen, kräftigen, arbeitsamen Menschenschlag ist ein träger ziel- und herzloser Haufen geworden. Menschengerümpel, das nicht weiterweiß und den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. "Mach was aus dir", Steig in den Bus", "Geh los", "Du musst lügen" - mit solchen Ratschlägen lässt sich Peterchen pausenlos belöffeln und bemuttern und wird sagen "Es ist ja wie immer." Gegenfrage aus der illustren Runde: "Wie soll es denn sonst sein?" Tja, geht es weiter mit dieser Gesellschaft, irgendwie? "Das ist das Ende" stellt Michel fest - nach zu viel Endlos-Palaver, überdrehten Albernheiten, zuweilen in Gebrüll ausartend, oftmals mit dem sehr aktuellen "Sch..."-Wort garniert. "Realität - ich sch... drauf!", geifert Peterle. Hups, und da geht die Inszenierung leicht in die krachlederne Trachtenhose. Zugegeben, es ist oft herzflimmernd gespielt: Wenzel Banneyer ist der Michel, Vater, Aussteiger, Wahlblödian und Hit des Abends. Caroline Junghanns macht das lüsterne Luder. Sebastian Tessenow (Peter), Muriel Wenger (Mutter), Hartmut Neuber (Glasmann), Urs Rechn (Ezechiel), Karl Sebastian Liebich (Schlurcker) - passt alles. Nur da links oben unterm Brustbein kann sich nix für dieses kalte Herz erwärmen. Ratloser Beifall. Ch. Hamann-Pönisch, Chemnitzer Morgenpost, 28.11.2011 ___________________________________________________________
Träume
statt Märchen In ihrem für das Chemnitzer Schauspiel geschriebenen Stück versetzt die Österreicherin Gerhild Steinbuch die Figuren in die Gegenwart und interessiert sich dafür, "ob Peter Munk als moderner Glückssucher überhaupt noch wünschen kann, was sein Herz begehrt" (Esther Holland-Merten). Die Gestalten des Märchens sind bei Steinbuch im spießbürgerlichen Alltag gestrandet, Familie offenbart sich als Auslaufmodell. Peters (Sebastian Tessenow) von der Welt enttäuschter Vater, der Holländer-Michel (Wenzel Banneyer), haust im Keller. Eingezogen ist hingegen Herr Glasmann (Hartmut Neuber), Liebhaber der Mutter (Muriel Wenger), der auf Peters Auszug drängt. Auch Peters Kumpane Ezechiel (Urs Rechn) und Schlurcker (Karl Sebastian Liebich) sind in diesem Alltag an- bzw. nie aus diesem herausgekommen. Ihr zielloses Rebellieren gegen den noch nicht als Endstation erkannten Zustand erweist sich als ebenso wirkungslos wie ihre Versuche, Peter für ein Triumvirat zu vereinnahmen, an ihren unattraktiven Angeboten scheitern. Das verzweifelte Unterfangen der Beteiligten, Peter mit wohlfeilen Lebenslügen zu manipulieren, entspringt nicht zuletzt dem Wunsch, das eigene profane Leben zu verklären. Die Einzige, die sich bewusst zur Lüge als Lebens- und Überlebensstrategie bekennt, ist Lisbeth (Caroline Junganns). Doch damit vermag Peter, der sich für etwas Besseres hält, nichts anzufangen. Regisseurin Schirin Khodadadian findet für diese bitterböse Story eine Fülle fesselnder Bilder. In der mit in die Jahre gekommenem Billigramsch vollgemüllten Behausung der Munks (Ausstattung: Carolin Mittler) herrscht eine klaustrophobische Enge. Einer steht dem anderen im Wege. Bleibt als einziger Ausweg-gleich Lisbeth körperlich (und geistig) über die Köpfe der Anwesenden hinwegzuturnen. Hier hilft nur eine gründliche Entrümpelungsaktion, wie sie denn Lisbeth und Peter bei ihrer Flucht in den Wald vornehmen, einen Wald, dessen Düsternis immer noch heimischer anmutet als der häusliche Mief. Der Ausbruch misslingt, weil "die Träume noch enger sind als die Wirklichkeit" (Holland-Merten). Im Verein mit allen Beteiligten versteht es die Regie, präzise, genau voneinander abgesetzte Charaktere zu formen. Da gab es keinen einzigen Ausfall zu beklagen. Und wenn zum Schluss unsere Sympathien eher dem Holländer-Michel als dem zynisch brutalen Glasmann gelten, beweist dies, wie sich im Laufe der Jahre ein Gut-und-Böse-Prinzip ins Gegenteil verkehrt hat. Joachim Weise, Blitz!, 15.12.2011 ___________________________________________________________
In
einem Fernen Wald Natürlich irritiert
der Titel. Erst recht, wenn die Premiere in die Vorweihnachtszeit fällt.
Was erwarten da wohl die Zuschauer, wenn sie "Das kalte Herz"
lesen? Dadurch wird das Ganze auch nicht besser. Denn die Inszenierung findet im Text der österreichischen Autorin Gerhild Steinbuch keine drängenden Fragen, keine existentiellen Konflikte - nur eben Tatsachen und Anlässe für ulkige Szenen. Die Schwarzwaldbewohner furchten nämlich schon lange nicht mehr den Holländer-Michel und glauben auch an kein Glasmännlein, das Sonntagskindern gewogen ist. Vielmehr verbringen sie ihren tristen Alltag mit Raufereien und Stammtischgewäsch, Kleinbürgerlichkeit und Sehnsüchten. Nur Peter will da raus, will anders sein, auch wenn er sich dazu in ein Leben voller Lügen begibt, was er letztlich nicht mehr händeln kann. Naja - ist eben so. Aber wen interessiert das? Geht es uns was an? Nee. Noch dazu hat Ausstatterin Carolin Mittler für diese Hinterwäldler-Szenerie eine enge Stube mit Holzverkleidungen gebaut, in der einem die Decke irgendwie auf den Kopf fällt. Kein Wunder, dass die dort alle so sonderbar sind, wie etwa Peters Vater. Wenzel Banneyer spielt ihn als wuchtigen Kerl, der einfach abgeschlossen hat und in sich gekehrt seine eigene Realität lebt. Oder die Mutter, von Muriel Wenger mit konservativer Wut und Güte vorgestellt. Dazwischen noch der Glasmann, dem Hartmut Neuber nicht nur komödiantische sondern auch durchaus reaktionäre Züge verleiht. Und mit all diesen Menschen wuchs Peter nun auf. Wobei Sebastian Tessenow diesem offensichtlich hoffnungslosen Fall glaubwürdigen Optimismus abringt, jugendliche Schwärmerei, Träumerei. Dagegen ist Lisbeth, Peters große Liebe, geradezu illusionslos. Caroline Junghanns verschafft ihr aber einen ausgekochten Charme, der die Beziehung spannend hält. Doch trotz aller schauspielerischer Raffinesse, trotz der treffenden Bilder und einer Regisseurin, die sichtlich ungewöhnlich denkt, bleibt nicht viel Faszination nach anderthalb Stunden Theater. Dabei hat Shirin Khodadadian lustvoll inszeniert, Typen herausgearbeitet, Rhythmus bewiesen. Nur eben nicht klären können, was die Geschichte erzählenswert macht. Jenny Zichner, Stadtstreicher Chemnitz, 01. 2012 ___________________________________________________________
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Erstellt am 25.06.2021 | |||