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Ein bürgerliches Trauerspiel von Friedrich Schiller
  "Kabale und Liebe"
 
Premiere am 27. Januar 2007
     
 
Regie: Katja Paryla
    Ausstattung: Dieter Klaß
     

 

Die ungezügelten Kräfte von Liebe und Macht lassen Schillers Figuren bis zur Vernichtung gegen die Grenzen von Politik, Tradition, Moral und Glauben anstürmen. Der Präsidentensohn Ferdinand sieht in seiner unmöglichen Liebe zur Musikertochter Luise einen Gegenentwurf zur bestehenden Ordnung - und scheitert an der Größe seiner Vision. Hier liegt Schillers eigentliches Thema: Der Moment des großen Zusammenbruchs und der Desillusion, philosophisch, politisch und das eigene Herz betreffend. Und doch möchten wir rufen: Alle Menschen werden Brüder!

Text - Theater Chemnitz !!!

 
 
Die Premiere spielten:
Präsident von Walter
-
Alexander Hetterle
Ferdinand
-
Bernhars Klampfl
Hofmarschall von Kalb
-
Karl Sebastian Liebich
Lady Milford
-
Sylvia Bretschneider
Sekretär Wurm
-
Stefan Wancura
Miller
-
Ivan Gallardo
Frau Millerin
-
Elvira Grecki
Kammerdiener
-
Frank Höhnerbach
Luise
-
Elisabeth Hart*
Sophie
-
Anja Taschenberg*
     
* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz
 

KRITIK:

Luise und Ferdinand haben keine Chance

Verschiedene Sichtweisen auf Schillers Klassiker ,Kabale und Liebe": Zu unentschieden in Chemnitz und als Psychokrimi in Halle.

Schillers "Kabale und Liebe" - ein Dauerbrenner im Theater. Katja Paryla inszenierte ihn jetzt in Chemnitz, und ihr Nachfolger als Schauspielchef, Enrico Lübbe, zeigt gerade in Halle seine Sicht auf den Klassiker.

Chemnitz. Peng. Wieder kracht eine Tür ins Schloss. In Millers Haus geht es zu wie im Taubenschlag. Der Stadtmusikant muss rührig sein, wenn er über die Runden kommen will. Da kann er sich seine Schüler nicht aussuchen. Doch mit einem, das ist ihm schon mal klar, wird es richtig viel Arger geben. Nicht nur mit seiner Frau ist er da uneins, die nämlich sähe den adligen Ferdinand ganz gern an der Seite von Tochter Luise. Nein, dieser Arger wird eine andere Dimension erreichen als ein gewöhnlicher Ehekrach. Vier Türen an der Bühnenfront (Ausstattung Dieter Klaß). Und Luise unentschlossen davor. Welche soll sie nehmen?
Der Zuschauer weiß ja, das sind keine Türen, die in die Freiheit führen, er weiß, durch welche "Kabale und Liebe" Schiller die Figuren in seinem bürgerlichen Trauerspiel letztlich in den Tod schickt. Katja Paryla hat es neu für's Chemnitzer Theater inszeniert, zur Premiere am Samstag gab es dafür langen Beifall.
Und in diesem Falle lohnt sich auch ein Blick nach Halle, wo seit vergangenem Monat im Neuen Theater dieser Schiller auf dem Spielplan steht, inszeniert von Enrico Lübbe, der ab Saison 2008/2009 das Chemnitzer Schauspiel leiten wird. Beide
Regisseure haben den Staubwedel geschwungen, um den Klassiker frisch herauszuputzen. Katja Paryla setzt in Chemnitz eine munter bis quirlige Szenerie in Gang, die manchmal fast verspielt wirkt Locker lässt sie die Aufführungsvorbereitung in die Vorstellung hinübergleiten. Sprachliche Modernisierungen und Zitatanspielungen erheitern, große Masken verdeutlichen die Fratzenhaftigkeit der höfischen Gesellschaft, in einem Riesen-Geschenkpaket wird Ferdinand von seinem Vater Lady Milford als Braut vor die Füße gesetzt. Der aber will die abgelegte Mätresse des Herzogs nicht. Seines Standes überdrüssig, kämpft er - zuweilen außer sich vor Leidenschaft - um seine Luise, die ihm aber in all seinem Idealismus, die gesellschaftlichen Schranken niederzureißen, nicht folgen kann und will. Da wird wirklich geliebt, gelitten und gnadenlos intrigiert. Und es gibt, dank guter Darsteller schöne, stimmige Momente. Schauspielstudentin Elisabeth Hart ist eine sehr lebendige Luise, die es fast zerreißt zwischen der Zuneigung zu Ferdinand und dem Pflichtgefühl gegenüber ihrem bürgerlichen Elternhaus. Ihr Geliebter ist bei Bernhard Klampfl ein wahrer Hitzkopf. Ivan Gallardo zeigt einen ungewöhnlich temperamentvollen Miller, Stefan Wancura einen Wurm, der bei aller Niedertracht doch auch seine Zuneigung zu Luise glaubhaft aufschimmern lässt, und Karl Sebastian Liebig den Hofmarschall von Kalb als Jammerlappen, der sich allerlei Blessuren holt. Unbedingt zu würdigen: Sylvia Bretschneider, die vor anderthalb Tagen erst für die erkrankte Sabine Fürst in der Rolle der Milford einsprang und die Premiere rettete.
Die Details aber fügen sich leider zu keinem runden Abend. Eine Grundidee teilt sich nicht mit, insgesamt bleibt die Erzählweise zu unentschieden und ausladend, gespickt mit zu vielen Aufgeregtheiten.

Konzentration pur dagegen in Halle: Enrico Lübbe ist ein Meister der Reduktion aufs Wesentliche, ohne dass man gestrichene Szenen und Rollen vermisste. Er weiß von der ersten Minuten an genau, was er will. Es ist ein spannendes Spiel der Manipulation - wie sie funktioniert und was sie mit den Menschen macht. Fast wie in einem Psychokrimi seziert er mit präzisen Schnitten:
wie sich Wurm und Kalb korrumpieren lassen, wie sich langsam der Zweifel in Ferdinand festfrisst und ihn an einen Vertrauensbruch von Luise glauben lässt. Dabei offenbaren die Figuren eine unglaubliche Vielschichtigkeit. Zuweilen möchte man die Luft anhalten, so gegenwärtig springen einen die Charaktere an. Und spielen lässt Lübbe das alles in einem Kälte suggerierenden Edelstahlraum (Ausstattung Hugo Gretler). Klasse.

Uta Trinks, Freie Presse, 29.01.2007

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Trauerspiel in Gelb: 'Kabale und Liebe' im Schauspielhaus

Der zweite Gong ertönt, noch brennt das Licht über den Rängen. Auf der Bühne übt Kammerjungfer Sophie (Anja Taschenberg) Cello. Verwundertes Murmeln im Zuschauerraum, dann wird es still. Hat das Stück etwas schon begonnen?
Am vergangenen Sonnabend feierte Friedrich Schillers "Kabale und Liebe" im Chemnitzer Schauspielhaus Premiere. Um den klassischen Stoff traditionell und modern zugleich zu inszenieren, gestattete Regisseurin Katja Paryla einen Blick hinter die Fassaden. Der dritte Gong ertönt, das Licht über den Rängen erlischt. Die Cellistin probt weiter, die Schauspieler betreten die Bühne. Noch tragen sie ihre Straßenkleidung, die Schminktische befinden sich am hinteren Ende der Bühne. Nach und nach werden sie in die höfische Kleidung, die Rollen und ihre Fassaden schlüpfen. Die Verbindung zu den Intrigen von heute ist gelungen: Statt eines ordentlichen Beginns verschmilzt der Schauspieleralltag mit dem Stück. Die Neidfarbe Gelb nimmt immer mehr Besitz von Kleidung und Bühnenbild - weiß Gott keine neue Idee für diesen Stoff. Unfreiwillig gelungen wirkt die Besetzung. Die unterschiedlichen, teils sogar widersprüchlichen Spieltypen passen gut zu den Eigeninteressen im höfischen Ränkespiel. Ivan Gallardo (Miller) überzieht den Pathos seiner Rolle vollkommen, ist überdies schwer zu verstehen. Ihm zur Seite steht Elvira Grecki (Frau Millerin), die ihre Rolle mit lakonischer Mimik eine unaufdringliche Tiefe verleiht: das komplette Gegenteil ihres Partners.
Der Mut, Schauspielstudentin Elisabeth Hart die Hauptrolle der Luise anzuvertrauen, wurde belohnt. Das unschuldige 16-jährige Mädchen, das durch die Kabale des Hofes aufgerieben wird, spielt sie sicher und überzeugend. Der größte Respekt gebührt Sylvia Bretschneider als Lady Milford. Drei Tage vor der Premiere übernam sie die Rolle von der erkrankten Sabine Fürst. Davon ist kaum etwas zu merken - eine reife Leistung.

adi, Chemnitzer Morgenpost, 29.01.2007

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Intriganten schlagen Herzen

Langsam treffen alle Schauspieler auf der Bühne ein, verschwinden in ihren Garderoben. Eine Elevin übt Cello, ein Kollege Flöte. Nur das Ehepaar Miller streitet noch. Es geht um die Tochter Luise, die sich unsterblich in den Sohn des Präsidenten verliebte. Für die Mutter ist das allenfalls ein Grund zur Freude. Der Vater hält die Liaison für großes Unglück: Die Verbindung einer Bürgerlichen mit einem Mann von Adel werde nie und nimmer geduldet. Also will er handeln. Und wir sind mitten drin in Schillers Kabalen.
Wenn da nur die Liebe nicht wäre, dieses ungleiche Paar ohne Hoffnung – der über 200 Jahre alte Stoff mit seinen politischen Ränkespielen und wilden Intrigen hätte zeitlosen Wert. Doch zuallererst geht es nun mal um die nicht ganz standesgemäße Verbindung zweier Herzen, und auch Regisseurin Katja Paryla schafft es nicht, daraus ein heutiges Problem zu machen. Stattdessen lässt sie hinter die Kulissen blicken, verhehlt nicht, dass alles nur Theater ist. Auch Ausstatter Dieter Klaß hat auf sämtliche Illusionen verzichtet und schnörkellose Spielräume mitten auf die Bühne gezimmert. Dahinter sieht man noch die Künstlergarderoben, in denen sich einige Akteure schminken, während andere vorn schon die erste Intrige ausplaudern.
Da ist zum Beispiel Alexander Hetterle. Er spielt den Präsidenten und will mal eben seinen Sohn mit der Milford verkuppeln. Das kommt Stefan Wancura gerade recht, der als Sekretär Wurm ein Auge auf Luise hat und den Nebenbuhler damit los wäre. Fehlt nur noch Karl Sebastian Liebich, der Hofmarschall von Kalb gibt und die Nachricht einer baldigen Verlobung unters Volk zu bringen hat. Schon nimmt das Desaster seinen Lauf. Dabei sind die drei unbestritten die Rettung der Inszenierung. Nicht nur, weil Verlogenheit und Egoismus ihrer Figuren gnadenlos aktuell sind. Sie zeigen vor allem wunderbare Charaktere: einen schnodderigen Präsidenten ohne Herz, einen umtriebigen Wurm mit verbogenen Schwächen, einen glücklicherweise mal nicht gleich tuntigen von Kalb mit langer Leitung und Faible für Ettikette.
Ganz anders die Liebenden. Fast scheint es, sie wissen selbst kaum, warum sie nicht zueinander kommen können. So bleiben sie einfach auf Distanz, rufen sich Liebesschwüre und Vernunftsentscheidungen lieber von weitem zu. Große Gesten statt zarter Berührungen. Keine entflammten Herzen, die sich spüren ließen, nur Worte.
Und damit verstärkt sich der Eindruck, dass Katja Paryla nicht erzählt, weil sie mit diesem Stück über wahre Liebe verhandeln wollte. Sie hat wohl vielmehr für den Lehrplan inszeniert.

 

Jenny Zichner, Sächsische Zeitung, 29.01.2007

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  Erstellt am 29.01.2007