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Friedrich Schiller
  "Kabale und Liebe"
 
Premiere am 07. Mai 1995
     
 
Regie: Martin Nimz
    Bühne: Olaf Altmann
     


Ferdinand:
Ich fürchte nichts - nichts als die Grenzen deiner Liebe - Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen, empfangen für dich jede Wunde. An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben gehen; schöner, als er dich von sich ließ, soll der Himmel dich wiederhaben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seele legte.

Luise:
Es ist nichts Wirkliches - Es ist nichts als das schauernde Gaukelspiel des erhitzten Geblüts - Hat unsre Seele nur einmal Entsetzen genug getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel Gespenster sehn.

 

„Kabale und Liebe" zählt neben „Räuber" und „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua" zu jenen Stücken, die der Klassiker Schiller als eine Art Jugendsünde betrachtete und an die er eigentlich nicht mehr gern erinnert werden wollte. Goethe, der sie mehr oder minder als grobe und unkultivierte Ausgeburten eines ungeschlachten jugendlichen Genies betrachtete, meinte, man solle sie belassen, wie sie nun einmal waren, als Zeitdokumente eines überwundenen Denkens und Fühlens. Der Irrtum beider bestand wohl darin, daß sich ihre Haltung zur Wirklichkeit geändert hatte, die Ursachen, die den jungen Schiller zu diesen grellen zeitgenössischen Protestdramen getrieben hatten, aber geblieben waren. Schiller war gegen seinen Willen von seinem Landesherrn, dem Herzog Karl Eugen von Württemberg, auf dessen Militärakademie abkommandiert worden, deren einziges Ziel es war, durch körperlichen und geistigen Drill gefügige Kader für den militärischen und zivilen Bereich zu produzieren. Schiller und seine Mitschüler wehrten sich ausschließlich im geistigen Bereich durch Lektüre verbote-ner Schriften. Neben den politischen Protest gegen die Willkür des Alleinherr-schers und seiner Minister, Mätressen, Beamten und Zuträger setzten sie - vor allem durch die Lektüre Rousseaus beeinflußt - eine wirklichkeitsfremde Schwärmerei für ein natürlicheres Leben in individueller Freiheit.
In „Kabale und Liebe, von Schiller als "bürgerliches Trauerspiel" bezeichnet, entsteht die Konfrontation des Bürgertums mit dem Feudaladel und dessen Kreaturen dadurch, daß der Präsident des Landes, der durch ein hinterhältiges Verbrechen seinen Vorgänger beseitigt hatte und damit zu Amt und Macht gekommen war, diese seine Macht dadurch festigen und vergrößern will, daß er seinen Sohn Ferdinand mit der abgelegten Mätresse seines Fürsten verheiraten will. Ferdinand aber, auf Akademien erzogen, auf denen er mit eben solchen Schriften und Idealen konfrontiert worden war wie der junge Schiller, ist angeekelt vom geistlosen und „unmoralischen‘ Leben am Hofe und glaubt, in der Liebe zu Luise, der Tochter des Musikus Miller, eine Personifizierung seiner Ideale gefunden zu haben. Man hat Ferdinand und Luise oft mit Romeo und Julia verglichen.
Shakespeares Liebende zweifeln nie an der Ehrlichkeit des Partners. Als Luise sich aber weigert - aus Realitätssinn und moralischen Bedenken - mit Ferdinand auf eine ominöse Insel des Glücks und der Liebe zu fliehen, wirft er ihr Heuchelei und Betrug vor, denn sie liebe heimlich einen anderen. Es bedürfte eigentlich gar nicht mehr der hinterhältigen Intrige, die der Präsident mit seinem Sekretär Wurm ausheckt, denn Luise entspricht mit ihrer Weigerung nicht mehr dem Bild, das Ferdinand sich von ihr gemacht hat. In seiner ratlosen Verzweiflung vernichtet er sie und sich selbst.

 

Die Premiere spielten:

ein Drache

-

Alexandra Blank und Matthias Rentzsch

ein Gartenzwerg

-

Kai Börner

noch ein Gartenzwerg

-

Roy Borm

noch ein Gartenzwerg

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Jürgen Lingmann

noch ein Gartenzwerg

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Jörg Metzner

Miller

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Peter Kurth

Millerin

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Petra Förster

Luise

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Heike Meyer

Präsident von Walter

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Marcus Kaloff

Ferdinand

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Gerd Beyer*

Wurm

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Michael Thalheimer

Hofmarschall von Kalb

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Matthias Humitzsch

Lady Milford

-

Angelika Böttiger

Kammerdiener

-

Otto Heidemann

* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz

 


KRITIK:

Suchbilder im Schnee
Wie nach seiner vorjährigen „Rausch" - Inszenierung bereits zu erwarten war; hat sich Martin Nimz auch diesmal gänzlich von tradierten Sichtweisen auf das Stück entfernt. Er schlägt auf der Bühne, die mit knöchelhohen Schneemassen bedeckt und lediglich von schwarzen Tüchern begrenzt ist, ein bunt schillerndes Bilderbuch auf. Mal blättert er zügig um, so daß man Mühe hat, die Flut der Metaphern zu erhaschen, mal nimmt er sich Zeit, um Situationen ganz ausspielen zu lassen. Er legt es wohl gar nicht darauf an, daß jeder alle Bilder für sich zu erschließen vermag. Die Inszenierung ist witzig, aber nicht oberflächlich. Gut ausgeformte, glaubwürdige Charaktere beleben sie ebenso wie die Fülle der Spielideen. So viel man lachen mag, Nimz läßt die Stimmung immer wieder kippen, etwa wenn die vier; einzeln zunächst harmlos scheinenden Gartenzwerge zusammen in Aktion treten. Hier trägt ein gefährlicher deutscher Kleinbürgergeist einen zweifelhaften Sieg davon. Eine beängstigende Vision.

Uta Trinks, Freie Presse, 9.5.95

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Gartenzwerge vertrieben Zuschauer
Murren und Pfui-Rufe, Zuschauer gingen, und immer mehr Gartenzwerge kamen und mischten (pantomimisch stark) kräftig mit bei dem vor Überraschungen strotzenden Spiel (fabelhafte Bühne und Kostüme: Olaf Altmann) um Liebe und Macht. Aus Märchen und Wirklichkeit hat Nimz ein Stück über die Zipfelmütze gestrickt. Gnadenlos läßt er den deutschen Michel auferstehen - zum Feixen und zum Fürchten. Denn die Zwerge mit den lustigen Gesichtern sind brutale, schadenfrohe und stets dienstbereite Trottel. Der gemütliche Schneemann entpuppt sich als Judas und Karrierist. Als Quietschentchen tarnt sich Nebenbuhler Wurm, der sinnigerweise auch mal an der Angel zappelt. Ein Zirkus ohne Gut und Böse. Am Ende - so Nimz - triumphieren die Gartenzwerge. Nicht nur die deutschen Gärten geben ihm recht. Zuletzt noch viel Applaus.

Chr. Hamann-Pönisch, Morgenpost, 9.5.95

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Zuschauer - Zuschrift
Schiller würde sich im Grabe umdrehen - oder? Was haben die im Schauspielhaus aus dem Klassiker KABALE UND LIEBE gemacht? Wenn Schiller das sehen könnte. Solche und ähnliche Stimmen hört man derzeit über das von Martin Nimz inszenierte Drama, wobei der Begriff Drama irre führt, denn es wird vielmehr die Liebesgeschichte eines jungen Paares erzählt, dessen Liebe (und am Ende sogar deren Leben) durch das kleinbürgerliche Denken ihrer Mitmenschen zerstört wird. Ich ging ohne große Erwartungen in das Stück, hatte ich doch im Hinterkopf noch langatmige Schulstunden zur politischen Tendenz dieses Werkes. Und so ertappte ich mich während der ersten halben Stunde der Aufführung, wie ich auf bestimmte Sprechakte wartete oder mich über Schnee und Zwerge wunderte. Doch nach und nach begann ich die Rolle der Gartenzwerge zu verstehen. Sie stehen ja ein wenig für den Kleingeist unserer Zeit, und bilden somit einen interessanten Gegenwartsbezug, denn auch heute spielen Standesunterschied, Hautfarbe und die Herkunft bei Beziehungen eine große Rolle. Die Parallelen zu Schneewittchens „Sieben Zwergen" wirken auf mich jedoch aufgesetzt und kitschig. Teilweise geht der eigentliche Handlungsstrang und der Charakter des Stückes verloren. Wer das Schiller-Original nicht kennt, hat auch aufgrund mangelnder Lautstärke Mühe, dem Ganzen zu folgen. Schade finde ich auch, daß die politische Aussage gänzlich verloren geht. Während der Kammerdiener der Lady Milford über das Geschäft mit dem Soldatenhandel erzählt, lenkt einer der Zwerge durch sein Gebrabbel und durch sein wildes Agieren die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Vielleicht sind die Zwerge auch insgesamt zu bunt und zu schrill. Insgesamt ist die Inszenierung witzig, aber durch die glaubwürdig dargestellten Charaktere der Personen und durch den Einschub der Traumsequenzen wirkt sie auch nicht oberflächlich. Alles in allem glaube ich, daß diese dritte KABALE UND LIEBE-Inszenierung des Chemnitzer Schauspielhauses innerhalb von 50 Jahren (!) eine echte Herausforderung fürs Publikum darstellt und in jedem Fall anschauenswert ist. Und vielleicht würde sich der „olle" Schiller gar nicht im Grabe umdrehen, sondern viel eher auch der Meinung sein, daß sein Drama ein Gegenwartsdrama ist, welches nach einem aktualisieren In-Szene-setzen verlangt.

Mandy Mehnert, 18 Jahre


 
 

 

 

  Erstellt am 28.03.2001