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Hugo von Hofmannsthal
"Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes"
  "Jedermann"
 
Premiere am 23. Juni 2002
     
 
Regie: Manuel Soubeyrand
    Bühne: Mike Hahne
     


   
Lydia Stäubli und Nils Brück

Als Gott der Herr sieht, dass man ihn auf der Erde nicht mehr als Schöpfer und Gebieter ehrt, beschließt er, die Menschen wieder an seine Allmacht zu erinnern. Er trägt dem Tod auf, in das Haus des reichen Jedermann zu gehen und ihn vor das göttliche Gericht zu rufen...

   

Die existentielle Frage nach unserer persönlichen Verantwortung in der Welt gewinnt in Hofmannsthals Nachdichtung eines alt-englischen Moralitätenspiels mit seinen allegorischen Masken, Tänzen und Liedern eine Klarheit und naive Anschaulichkeit, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat.

   
 
Die Premiere spielten:
 
Jedermann
-
Michael Pempelforth
Der Tod
-
Anne Else Paetzold
Jedermanns Mutter / Tischdame
-
Barbara Ansorg
Buhlschaft / Der Glaube
-
Gritt Galisch
Des Schuldknechts Weib / Tischdame/ Die Werke
-
Judith Raab
Spielansager / Jedermanns Guter Gesell / Der Mammon
-
Tobias D. Weber
Hausvogt / Schuldknecht / Gast / Knecht
-
Manolo de Palma / Manuel Soubeyrand
Koch / Büttel / Dünner Vetter
-
Stefan Schweninger
Armer Nachbar / Knecht / Dicker Vetter
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Klaus Schleiff
Büttel / Vorsänger / Der Teufel
-
Frank Höhnerbach
 

KRITIK:

Absturz eines Erfolgstypen
"Jedermann" - Viel Beifall für das Spiel vom Sterben des reichen Mannes in Chemnitz

Das Grundstück für einen Lustgarten ist zu besichtigen, ein Fest will arrangiert sein, das Geld ist zu mehren - es gibt viel zu tun. Der reiche Mann und seine rechte Hand sind ein eingespieltes Team, Geschäftigkeit ist ihr Rhythmus. Da werden Bittsteller, die am Rande auftauchen, störend empfunden und schnell abgefertigt. Jedermann schwimmt auf der Höhe des Erfolgs, finanziell und auch privat. In Wer-kann-mir-Manier dirigiert er seine Umwelt, als würde das immer so weiter gehen. Geht es aber nicht, und Jedermann ist nicht vorbereitet.
Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" hatte am Sonntagabend auf dem Chemnitzer Theaterplatz Premiere. Doch bevor das Spiel anhob, verlas Generalintendant Rolf Stiska die traurige Nachricht, dass Gerhard Meyer, von 1966 bis 1989 Generalintendant der Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt, gestorben war. Da wurde es ganz still zwischen Opemhaus und Petrikirche, Gedenken an einen großen Mann des Theaters, einen wirklichen Prinzipal seiner Truppe, die er mutig, geschickt, väterlich zu Höchstform gebracht hatte. Und dann öffnete sich die extra hingezimmerte Guckkastenbühne. Gerhard Meyer hätte es wohl selbst nicht anders gewollt. Die Vorstellung muss stattfinden, das ist ehernes Theatergesetz.
Ausstatter Mike Hahne setzt auf Minimalismus, was einerseits gewiss sehr praktisch ist, denn das Ensemble ist mit dieser Produktion bis zum 22. September auf Kirchentour, so hat man also nicht über Gebühr Gepäck. Andererseits legt die beinahe jungfräuliche Bühne das Spiel von Sterben des reichen Mannes nicht ausschließlich auf einen Ort oder eine Zeit fest. Denn dieses auf mittelalterliche Mysterienspiele zuruckgehende Stück erzählt eine zeitlose Geschichte, in der für heutige Jedermänner allenthalben Spiegel aufgestellt sind. Was beim Drumherum gespart ist, das allerdings wird bei den üppigen Kostümen draufgelegt, die wahrlich eine Augenweide sind.
Und so bleibt die Geschichte von Jedermann, der plötzlich abberufen werden soll von der Erde, vornehmlich darauf konzentriert, was in einem Menschen vorgeht, der von seinem baldigen Ende erfährt, der Bilanz ziehen soll und kaum mehr Zeit hat, Versäumtes nachzuholen. Denn während Jedermanns Geldbeutel wohlgefüllt ist, das Konto guter Werke ist es nicht. Mitnehmen kann man auf den allerletzten Gang nichts, Lebenszeit lässt sich nicht kaufen, und spät, beinahe zu spät reift die Erkenntnis, dass nicht der Mensch es war, der mit dem Gelde die Welt dirigierte. Der Mammon selbst ist es, der den Menschen fest im Griff hat.
Schauspielchef Manuel Soubeyrand lässt die Moralitäten der Geschichte nicht bleischwer daherkommen. Die Figuren sind allesamt kräftig-lebendig gezeichnet, und ein ironischer Unterton bricht die belehrende Botschaft. Mit Michael Pempelforth ist ein junger Jedermann zu erleben, der den seelischen Absturz des Erfolgstypen in die tiefste Verzweiflung trefflich ausspielt, ihn als fehlbaren Menschen zeigt, dem der Reichtum den Blick auf den Lebenssinn verstellte. Seine Buhlschaft ist bei Gritt Gahlisch ein reizendes Frauenzimmer, das die schönen Seiten des Dasein genießt, mit den nahenden Tod aber nicht umzugehen weiß und schreiend davonläuft.
Anne-Else Paetzolds führt einen Tod vor, der ein bisschen gruselig, gnadenlos unbestechlich und geschäftstüchtig, aber auch gewitzt ist, etwa, wenn dieser den Jedermann zwischen den Schenkeln so in die Klemme nimmt, dass er sich nicht bewegen kann und endlich begreift, was da auf ihn zukommt. Und Frank Höhnerbachs Teufel, der sich den Jedermann ebenfalls holen will, ihn aber nicht bekommt, weil dieser doch noch zum Glauben findet, ist eine urige Kreatur - wild, gespenstig und komisch zugleich. Es ist ein Spektakel um den Schein, dem wir allzu oft nachjagen, und die wahren Werte - unterhaltsam und in einfachen Bildem, für das es viel Beifall gab.

Uta Trinks, Freie Presse, 25.06.2002

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  Erstellt am 17.07.2009