KRITIK:
"(...) Hein,
der bekanntlich das Wesentliche im Unspektakulären aufzuspüren
weiß, sollte man nicht unterschätzen. Die in künstlich
oder zufällig (z.B. durch das vereintdeutsche Füllsel
"halt") angereicherten Dialekten geschriebenen Texte sind geprägt
von analytischer Schärfe, hintergründiger Polemik und
einer provokant berechnenden Dramaturgie. Die funktioniert zweifellos.
Und sei es nur in dem simplen Nachweis, daß der Mensch lieber
über Schwächen lacht, die sich in fremder Mundart offenbaren
und so am Ende vielleicht genau den entrüsteten Kleinbürger
abgibt, der vorgeführt werden soll. Doch die Attacke gegen
neue Mythen entbehrt auf der Bühne zwingender Konsequenz,
mehr noch, hier wird eine Art Dekonstruktion vorgeführt:
Biographien, aus denen das Geschichtliche flieht (...)"
Tomas Petzold,
Dresdner Neueste Nachrichten, 11. 10. 99
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"(...) Schnell
ist klar, was Hein mit seiner dramatischen Petitesse beabsichtigt
hat: Einen kleinen Ausschnitt aus der Alltagswirklichkeit der
DDR möglichst wahrhaftig und unideologisch zu beschreiben.
Um die Authentizität noch zu steigern, hat er seinen Figuren
ein künstliches Sächsisch in den Mund gelegt, was dem
Ganzen einen wenig vorteilhaften Stich ins Volkstheaterhafte gibt
(...) Ihr (Tatjana Reses, Anm. d. R.) dankbarstes Versuchskaninchen
ist dabei Sven-Erik Just, der in seinen seltenen ruhigen Momenten
das Auffällig-Unauffällige des Stasi-Fußvolks
recht genau trifft, aber meistens dazu gezwungen wird, sich beim
Lauschen so weit vorzubeugen, bis er vom Stuhl kippt (...)"
Matthias
Ehlert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. 10. 99
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"(...) Die
zwei Damen sind auf dem Heimweg von der Beerdigung von Lottes
Mann zufällig auf einen Fensterplatz geraten. Nun schauen
sie der "Demonschtration", gegen die geplante Sprengung der Paulikirche
zu, und mit ihnen gucken und räsonnieren der Kellner, ein
Rentner und ein "Geheimer". Wirklich interessiert sind aber alle
nur an ihren privaten Problemen (...) Alle Figuren, ob der weltkriegserfahrene
kommentierende Rentner oder der eifernde Spitzel, sind liebevoll
ausgepinselt. Zwar mit Verständnis, aber nicht mit Einverständnis.
Hein verurteilt nicht, er beschreibt: passive Zuschauer, ob sie
sticheln oder sich ereifern. Heins pointierter, sprachlich souveräner
Text stellt seine Pointen nicht aus, sondern entwickelt sie, aus
Figurenhaltungen vor einem kenntnisreich lachfreudigen Chemnitzer
Publikum (...) "Himmel auf Erden", der zweite Einakter, spielt
in einem mecklenburgischen Dorf in unseren Tagen (...) Statt sächsisch
wird hier ein kunstvoller norddeutscher Dialekt gesprochen. Die
groteske Darstellungsweise bleibt gleich, und doch wirkt der "Himmel
auf Erden" witz- und spannungslos. Sein Problem: Wenn Klischees
zu sehr stimmen, dann beschreiben sie nichts mehr (...)"
Hartmut Krug,
Die Welt, 11. 10. 99
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"(...) Geschichte
präpariert Christoph Hein in seinem zweiteiligen Lustspiel
"Himmel auf Erden" als einen Prozess, der sich von Menschen gelöst
hat (...) Beteiligtsein, an welchem Vorgang auch immer, findet
nicht mehr statt (...) Aber Hein ist nicht zornig, er nimmt seinen
Befund ohne Trauer, ohne Betroffenheit zur Kenntnis, bekennt sich
zur Banalität als dem Gegebenen. Orte der gespaltenen, abgewehrten
Realitätserfahrung sind ein Leipziger Café, "an einem
Nachmittag Ende Mai 1968", und eine "Bar in einem norddeutschen
Dorf, Gegenwart" (...) Und da setzte Tatjana Rese, die Regisseurin
der Chemnitzer Uraufführung an. Sie lädt den Text mit
noch mehr Dreistigkeit auf, haut Klamottiges auf die Bühne,
daß die Fetzen fliegen (...)"
Christoph
Funke, Tagesspiegel, 12. 10. 99
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