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Colin Higgins
  "Harold und Maude"
 
Premiere am 30. Juni 2012
     
 
Regie: Christian Brey
    Ausstattung: Anette Hachmann
     
 

Harold Chasen ist ein eigenwilliger junger Mann mit außergewöhnlichen Hobbys: Er geht liebend gerne auf Beerdigungen, und wenn er nicht auf Friedhöfen ist, dann inszeniert er in effektvollen Auftritten seinen Selbstmord - gern auch im Kreis der Familie.

Seine Mutter hat über die Zeit gelernt, das zu ignorieren. Allerdings hat sie zwischen ihren diversen Massage- und Friseurterminen auch wenig Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Der Therapeut Dr. Mathews bringt sie schließlich auf die Idee, bei einer Partneragentur eine Frau für Harold zu bestellen.

Harold aber begegnet auf einer Beerdigung einer gleichgesinnten Seele - der 79-jährigen Maude, einer energiegeladenen Dame mit einer faszinierenden Persönlichkeit. Maude steht für ihre Überzeugungen ein, sie kämpft mit unerschütterlicher Freundlichkeit gegen Ungerechtigkeit und Verbohrtheit. Harold ist fasziniert von ihrem unkonventionellen Lebensstil, und Maude bringt ihm bei, jeden Tag aufs Neue das Leben zu entdecken - und keine Angst zu haben vor dem Unbekannten.

Die drei Kandidatinnen, die die Partneragentur schickt, haben gegen Maude keine Chance: Harold vertreibt sie mit bizarren Selbstmordsimulationen - und macht stattdessen Maude einen Heiratsantrag. Aber Maude ist eine starke Frau, die mit ihren Prinzipien auch vor sich selbst nicht Halt machen will: Ihr 80. Geburtstag, so hat sie vor Zeiten beschlossen, soll ihr letzter sein ...

Text - Theater Chemnitz !!!

 

 
Die Premiere spielten:
Maude
-
Ellen Hellwig
 
Harold
-
Constantin Lücke
 
Miss Chasen , Harolds Mutter
-
Ulrike Euen
 
Pater Finnegan
-
Tilo Krügel
 
Dr. Mathews
-
Wenzel Banneyer
 
Sylvie Gazel / Nancy Mersch / Sunshine Doré
-
Caroline Junghanns
 
Friedhofsgärtner / Inspektor Bernard
-

Bernd-Michael Baier

 
Hausmädchen Mari
-
Annett Sawallisch
 

KRITIK:

 

Chemnitz: Eine Show mit viel Zirkus - Keine (Alters)-Grenze für die Liebe
Das Stück "Harold und Maude" hatte im Schauspielhaus Premiere

Das Stück ist heiter mit bittersüßem Ende, bisweilen skurril und ein bisschen verrückt. "Harold und Maude" ist als letzte Inszenierung der Spielzeit im Schauspielhaus Chemnitz überdies auch Zirkus und Parodie. Ganz auf Show gemacht, die diese außergewöhnliche Liebesgeschichte eines 19-jährigen Neurotikers und einer 80-jährigen Lebenskünstlerin ins Bild setzt.

Der verschüchterte Teenager Harold kommt mit seinem Dasein so wenig klar, dass er bekennt: "Ich hab' noch nicht gelebt." Fortwährend macht er mit Selbstmordversuchen auf sich aufmerksam, aber seine Mutter nimmt das gar nicht mehr wahr. Auf dem Friedhof, seinem Lieblingsplatz, ist Rettung in Sicht - in Gestalt der knapp 80-jährigen Maude. Harold ist fasziniert von dieser geradlinigen, verständnisvollen und übermütigen Frau, die von Ellen Hellwig höchst vital und auch sehr feinfühlig dargestellt wird. Sie ist das Leben, das Harold nicht kennt. Er teilt mit ihr die verrücktesten Gewohnheiten, sie nimmt die erstbesten Autos und fährt damit umher, "entführt" aus dem Zoo einen Hai, den sie in die Freiheit des Meeres entlässt, er liebt diese Frau. Aber Liebe eines blutjungen Mannes und einer Greisin darf es nicht geben für alle, die um ihn herum sind, vor allem nicht für die Mutter.

Das war - und ist es noch? - ein Tabuverstoß auch für die Gesellschaft. Thematisiert hat ihn mit der Kunst des Theaterspiels und mit einem legendär gewordenen Film der Autor Colin Higgins. Im Übrigen werden sich manche Theaterliebhaber in Chemnitz an die Inszenierung des Stücks 1987 mit einer großartigen Anny Stöger als Maude erinnern. Das war ganz anders inszeniert, aber die Brisanz hat nichts verloren, wenn auch die Zeiten heutzutage das Theater mehr zu zugkräftigen Kassenschlagern drängen. "Harold und Maude" ist nun in Chemnitz eher zu einer Show geworden, die in der Regie von Christian Brey sowie in der Szenerie und Kostümausstattung von Anette Hachmann geboten wird. Es pufft und knallt, Constantin Lücke als Harold ist bei seinen vorgetäuschten Selbstmorden geradewegs ein Artist, der mit Waffen umzugehen weiß. Der Hai, das befreite Tier, "schwimmt" schwebend schließlich über dem Zuschauerraum in die Freiheit. Die Effekte sind famos von Klaus-Dieter Beyer erdacht und realisiert worden.

Dominanz des Äußerlichen aber überdeckt die Tiefe des Stückes, die Seele des Spiels - Ellen Hellwig als Maude, die längst auf den Tod vorbereitet ist, den sie an ihrem 80. Geburtstag herbeiführt. Sie fesselt nicht nur Harold, sondern auch das Publikum. Ihr letztes Glück, die Liebe eines Menschen genießen und erwidern zu dürfen, die Wandlung Harolds im Widerschein ihres Menschenwesens, sind aber szenisch leider nicht zentriert worden. Ihre Rollen sind zwei neben neun anderen. Und diese neun sind ein anderes Theaterkonzept, mehr Typen der Boulevard-Komödie denn wahrhaftige Partner des Liebespaars. Alle sind auf ihre Weise hervorragend gespielt. Aber Harolds Mutter (Ulrike Euen) wirkt in ihrer Selbstverliebtheit manchmal bis zur Karikatur überdreht, gut gespielt, aber nicht mehr ernst zu nehmen. Kabinettstücke liefert Caroline Junghanns in den drei Rollen der Heiratskandidatinnen, die Harolds Mutter für ihn zum Date bestellt hat. Der Pater (Tilo Krügel), der Psychoanalytiker (Wenzel Banneyer) sowie Bernd-Michael Baier als Friedhofsgärtner und als Inspektor lohnen alle das Zuschauen. Das ist gutes Theaterspiel, die jedoch das Agieren von Harold und Maude parodieren und die Brisanz des Themas schmälern.

Reinhold Lindner, Freie Presse, 02.07.2012

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Überdrehtes Varieté: ‚Harold und Maude' im Chemnitzer Schauspiel
Darf man mit Frau (80) Schubkarre spielen?

Eine tobende Süffel-Mama, ein kitzliger Pater, ein durchgeknallter Psycho-Doktor, ein vergesslicher Bonsai-Kommissar, ein schwerhöriger Gärtner - und mitten in dem Tollhaus ein stupides Hausmädchen, das dieses irre Treiben aus dem Sessel mit großen Kulleraugen verfolgt und dabei seelenruhig Eierlikör säuft: Christian Brey präsentierte am Sonnabend "Harold und Maude" von Colin Higgins im Chemnitzer Schauspielhaus. Er scheute dabei nicht vor einem großen Schluck aus der Comedypulle zurück. Ja, da waren ein lautes Lachen und viel Jubel im Haus.

Bei der geradezu legendären Liebesgeschichte vom lebensmüden, friedhofssüchtigen Jungmann Harold Chasen und der lebensfrohen, verrückten Alten Maude muss ein Regisseur den Ehrgeiz haben, dass einem gegen Ende der Story das Lachen im Halse stecken bleibt und man verstohlen das Taschentuch in den Händen hält. Bei Brey hält man sich den Bauch. Macht was aus Euren Lebensminuten, meint das Stück. Mit Maude: "Alles wird vorübergehen." Die Chemnitzer Inszenierung stattdessen ist ein Varieté mit Krach, Dampf, Feuer, knalltütenhaftem Gekicker, überlautem (manchmal nervigem) 1970er-Jahre-Gedudel aus der Konserve, zuweilen hübschem Zwischengetänzel und vor allem einem aufgedrehten, gar überdrehten Bühnenteam. Caroline Junghanns mimt drei Bräute, da kriegt man Hitzewellen vor Freude. Ulrike Euen ist eine geplagte Mama, der man gern noch ein, zwei Söhne wünscht. Und dazwischen auch immer mal zum Kringeln Tilo Krügel, Wenzel Banneyer, Bernd-Michael Baier, Annett Sawallisch.

Die Bühne dreht mit. Da aufgeräumtes Haus mit Schmetterlingsapplikationen. Dort eine Rumpelbude, vollgestopft mit Kunst, Krempel und einem selbst gemaltem Bild (Ausstattung nicht übel von Anette Hachmann). Bäumchen kommen von oben, unten liegt - zum Kapieren - Herbstlaub. Irgendwann flosselt noch ein Aufblas-Hai durch den Zuschauerraum. Sehr heiter. Mit ihm schwimmt dem Stück dann doch sachte das letzte Kribbeln davon.

Die Hauptakteure Ellen Hellwig (Maude) und Constantin Lücke (Harold) paddeln leider mit und tun sich schwer mit ihren Rollen. Sie deklamiert altklug und mit Dauer-Unterstufentonfall ("Du darfst dir nicht von anderen sagen lassen, was du zu tun hast"). Er muss verschwörerisch ins Publikum grinsen und oft ziemlich albern zu sich selber finden ("Ich will Purzelbäume schlagen, Schubkarre mit Dir spielen").

Darf man mit einer 80-jährigen Frau Schubkarre spielen? Wahrscheinlich nur nach dem Genuss von viel Eierlikör. Wie würde wohl der Pater sägen: "Da ist bloß eine gewisse Leere im Gehirn!"

Ch. Hamann-Pönisch, Chemnitzer Morgenpost, 02.07.2012


 

 

 

  Erstellt am 07.10.2013