Greuelmärchen
von Heiner Müller
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"Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei" | ||
Premiere
am 24. Oktober 2015
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Regie: Silke Johanna Fischer | |
Ausstattung: Stefan Morgenstern | ||
Heiner Müller (1929 - 1995) hat sich in seinem Greuelmärchen zum Sprachrohr des geschundenen und gequälten Menschen gemacht. Im 1975/1976 entstandenen "Gundling" versammeln sich demontierte und gefallene Größen, historische Monster und ihre Opfer. Es ist ein gewaltiger und archaischer Bilderbogen durch die deutsche Geschichte und ihre Risse, den Müller entwirft. Dabei geht es ihm nicht um historische Wahrheit, sondern um die Aufdeckung von Zusammenhängen, die bis in die Gegenwart reichen. |
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Die Szenenfolge führt vom königlichen Garten Friedrich Wilhelms I. in Potsdam über diverse Schlachtfelder ins Irrenhaus und schließlich auf einen amerikanischen Autofriedhof in Dakota. Zwischen den Autowracks begegnen wir schließlich Gotthold Ephraim Lessing, begleitet von seinen Titelfiguren Emilia und Nathan. Als Lessing, zur Ikone stilisiert, in seine eigene Büste verwandelt wird, hört man aus der Bronze nur seinen dumpfen Schrei. Das Kuriositätenkabinett missbrauchter und zerstörter Beziehungen zwischen geistig-künstlerischer Intelligenz auf der einen, Staatsmacht und Gesellschaft auf der anderen Seite beginnt mit Jakob Paul Freiherr von Gundling, dem Zeitungsreferenten und Historiographen Friedrich Wilhelms I., der am Hof des "Soldatenkönigs" zum tragikomischen Hofnarren herabsinkt, und führt über den sich selbst zerstörenden Heinrich von Kleist zum jungen Friedrich II., genannt der Große, der von seinem Vater mit bornierter Brutalität einer preußischen Erziehung unterworfen wird, die ihm alle Weichheit, Sensibilität und Menschenliebe austreibt. 2015 jährt sich Heiner Müllers Todestag zum 20. Mal. Mit diesem sehr persönlichen Stück, wie er einmal schrieb, bringen wir ihn zurück auf die Chemnitzer Bühne. Es ist wieder Zeit für Müller! Für ihn hatte Schreiben immer etwas mit konkreten Lebensrealitäten zu tun und mit den Rissen, die durch die Gesellschaft und die Menschen gehen: "Die DDR ist mir wichtig, weil alle Trennlinien der Welt durch dieses Land gehen. Das ist der wirkliche Zustand der Welt, und der wird ganz konkret in der Berliner Mauer." Auch im 25. Jahr nach dem Fall der Mauer sind Risse spürbar, manche vielleicht verheilt, neue hinzugekommen. Was bleibt, ist eine Brüchigkeit in unserem Dasein, mit der wir uns zu beschäftigen haben. Text - Theater Chemnitz !!!
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Die Premiere spielten: | ||
Friedrich,
Kleist, Lessing, Irrer, Sprecher für Projektion
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Dominik Förtsch |
Friedrich
Wilhelm, John Bull, Professor, Bauer, Nathan, Beamter
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Andreas Manz-Kozár |
Offizier,
Katte, Soldat, Zebahl, Schiller, Gelehrter Beamter
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Philipp von Schön-Angerer |
Jacob
Paul Freiherr von Gundling, Catt, Student, Voltaire, Gelehrter, Beamter
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Marko Bullack |
Offizier,
Soldat, sächsische Witwe, Studentin, Bäuerin, Emilia Galotti
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Maria Schubert |
Offizier,
Wilhelmine, Marianne, Frau in Stupor, Bildhauer, Emilia Galotti
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Magda Decker |
Bär,
Diener, Organmafia, Maler, Waffenindustrie, Friedrichs Alter Ego, Kind
im Irrenhaus, Bauernkind
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Gabriele Noack*, Jessica Noack*, Yves Klemm*, Jasmin Hawlicek*, Anna Bertram* |
* Mitglieder der Statisterie der Theater Chemnitz |
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KRITIK:
Jeder ist sich
selbst ein Preuße Am Anfang stand
der Drill. Schier endlos mussten im Theater Chemnitz preußische
Soldaten mit geschultertem Gewehr und zackigem Schritt durchs Bühnenbild
marschieren, ganz der Willkür ihres Königs ausgesetzt. Damit
wurde am Samstag der Grundstein für die Premiere des Greuelmärchens
"Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum
Schrei" von Heiner Müller in der Inszenierung von Silke Johanna
Fischer gelegt. Sarah Hofmann, Freie Presse, 26.10.2015 ___________________________________________________________
Ein Denkmal auf
der Bühne Am Ende des Stückes
wird der Dichter Lessing in seiner eigenen Büste eingesperrt. Er
wird zum Denkmal gemacht, ohne weiteren Einfluss auf sein Werk und dessen
Wirkung. Spätestens seit seinem Tod vor 20 Jahren ist auch Heiner
Müller so ein Denkmal, und jede Aufführung seiner Stücke
wirft die Frage auf, was sie uns heute, in neuem Kontext, zu sagen haben. Matthias Schmidt, Sächsische Zeitung, 26.10.2015 ___________________________________________________________
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Erstellt am 25.06.2021 | |||