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Schauspiel von Christopher Hampton
nach dem Roman von Choderlos de Laclos
  "Gefährliche Liebschaften "
 
Premiere am 24. November 2001
     
 
Regie: Manuel Soubeyrand
    Bühne: Mike Hahne
     


Die Liebe ist ein unabhängiges Gefühl, das kluge Vorsicht nur vermeiden, aber nicht überwinden kann, und die, einmal geboren, nur ihres natürlichen Todes oder aus gänztichem Mangel an Hoffnung sterben kann.

(aus. Choderlos de Laclos GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN)

   
Lydia Stäubli und Nils Brück

...die gute Gesellschaft unmittelbar vor der Französischen Revolution... das einzige, was sie kümmert, die Liebe, sie betreiben sie, als erfänden sie Musterbeispiele für eine Physiologie de l'amour. Sie sind Psychologen in Aktion. Sie greifen eine Frau an, um zu sehen, welche Stadien die gehetzte Seele durchlaufen wird, ehe sie erliegt. Sie schlürfen Gefühlsnuancen.
Tischgenossen wetten für und gegen die Tugend einer Abwesenden, und wer sie zu Fall bringt, hat eine Geistestat hinter sich und einen glücklichen Feldzug. Der Klatsch ist unendlich bereichert und veredelt. Die Liebe ist das herrschende Gesellschaftsspiel von unbegreiflichem Reiz, weil es immer im Begriff steht, ernst zu werden und den Kopf zu kosten.


(Heinrich Mann über GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN)

   
Die Premiere spielten:
Marquise de Merteuil
-
Antje Weber
Madame de Volanges
-
Elvira Grecki
Cécile de Volanges
-
Lydia Stäubli
Vicomte de Valmont
-
Nils Brück
Azolan, sein Kammerdiener
-
Peter Schneider*
Madame de Rosmonde
-
Barbara Ansorg
Präsidentin de Tourvel
-
Judith Raab
Émilie, eine Prostituierte
-
Anne-Else Paetzold
Chevalier Danceny
-
Manolo Palma
* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz
 

KRITIK:

Gebrochene Herzen und gefallene Seelen
Brillante Dialoge und tolle Mimen: Viel Beifall für die Premiere von "Gefährliche Liebschaften" im Chemnitzer Schauspielhaus

Hier geht es ums Triumphe buchen. Keine politischen, keine geschäftlichen. Gebrochene Herzen und gefallene Seelen sind die Trophäen. Die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont zetteln "Gefährliche Liebschaften" an, um andere ins Verderben zu reißen. Hindernisse sind willkommen. Je zahlreicher und schwieriger, um so glänzendster der Sieg. Christopher Hamptons Bühnenversion des gleichnamigen Briefromans von Choderlos de Laclos hatte am Sonnabend im Chemnitzer Schauspielhaus Premiere und wurde vom Publikum mit viel Beifall und Bravos für die Hauptdarsteller bedacht.
Der Autor der literarischen Vorlage, der ansonsten nichts Nennenswertes Schriftliches hinterließ, provozierte seine Zeitgenossen mit 175 fiktiven Briefen skandalösen Inhalts zu heftiger moralischer Entrüstung:
Ein junges, unschuldiges Mädchen wird vorsätzlich zur Hure gemacht, eine frisch verheiratete Frau zum Ehebruch verleitet. Die öffentliche Kritik war wohl nur die Fassade für eine heimlich genießende Leserschar. Denn hätte die Geschichte um große Gefühle und kaltschnäuzige Intrigen, um Schein und Sein in der Gesellschaft sonst die Zeiten überdauert?
In Chemnitz ist mit Manuel Soubeyrands Inszenierung wieder mal richtig gutes, spannendes Theater zu erleben - ohne jeden aufgesetzten Aktionismus. Die Scharmützel finden hier in brillant-anspielungsreichen Dialogen statt. Manchmal aber wird auch gar nichts gesagt, da gibt es nur einen Hauch auf die Schulter, ein leises ironisches Lächeln im Abwenden, da reicht es, wenn Antje Weber, die einen wunderbaren Einstand im Chemnitzer Ensemble gab,
als Marquise de Merteuil eine Augenbraue hebt, Nils Brück als Vicomte de Valmont ihr einen Blick durch den Salon zuwirft und somit ein verhängnisvolles Einverständnis besiegelt wird. Da knistert's in der Szenerie, wie man das in Chemnitz lange nicht erlebt hat. Tadellos sitzen die Masken dieses Verbrecher-Paares, nur in ganz wenigen kurzen Momenten kann man dahinter schauen - und die eifrig gehütete eigene Verletzlichkeit erahnen, ihre echten Gefühle füreinander, die sie nicht zulassen wollen. So spielen sie ihre selbstgeschriebenen Rollen perfekt. Die Marquise de Merteuil weiß sich als moralische Instanz in das Vertrauen der Madame de Volanges (Elvira Grecki) einzuschmeicheln, die ihre Tochter Cécile gut verheiraten will. Lydia Stäubli zeigt dieses naive junge Ding wie einen unberührten Stein, der zusehends seinen verderbten Schliff bekommt. Liebe ist keine im Spiel, als Valmont sie im Auftrag der Marquise in die Verführungskünste einweiht, vielmehr sportiver Ehrgeiz. Der auch lässt ihn die langsame Zermürbung der tugendhaften Präsidentin de Tourvel (Judith Raab) auskosten. Eiskalt und bindungsunfähig, richten die Marquise und der Vicomte Verwüstungen in ihrem Umfeld an. Hier meint man hin und wieder die aalglatte Kälte einer Glenn Close und eines John Malcovich aus der Hollywood-Verfilmung des Stoffes zu spüren.
Mike Hahne hat für dieses fein ausgespielte, psychologisch glänzend erfasste Porträt einer Gesellschaft, die die Täuschung, die Kälte und Grausamkeit zu ihren Spielregeln zählt, solange die offizielle Form gewahrt bleibt, ein gleichermaßen schlichtes wie äußerst praktikables Bühnenbild geschaffen. Mit fahr- und drehbaren Wandteilen sind schnell die wechselnden Handlungsorte hergestellt. Und obwohl er die Figuren in prachtvolle historische Kostüme steckte, sind sie doch irgendwie nicht allein Gestalten wie aus fernen alten Zeiten.

Uta Trinks, Freie Presse, 26.11.2001

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Superb
Ein Spiel um Lust und Moral

Die Damen sitzen beim Kartenspiel. Das zerstreut ein wenig. Heute, morgen, übermorgen. Kein Tag vergeht ohne Müßiggang. Die feine Gesellschaft ist längst dekadent geworden. Leben gerät zum Zeitvertreib, die Moral ins Vergessen. Nichts bereitet mehr Vergnügen als eine große Jagd, die Eroberung reiner Herzen, der Sieg über die Frömmigkeit. Auch Vicomte de Valmont liebt die Intrigen und wilden Affären. Ein charmanter Draufgänger, schwanz-gesteuert und unerbittlich. Nils Brück zeigt den schamlosen Verführer als einfallsreichen Herzensbrecher und durchaus auch als gewitzten Überredungskünstler. Er bekommt, was er will. Immer. Nur die Marquise de Merteuil weiß genug, um die Gefahr zu wittern. Valmont ist Leidenschaft, kein simpler Seitensprung. Sie oder er - nur einer kann gewinnen. Und die Marquise hält aus. Antje Weber verschafft dem verruchten Luder eine harte Schale. Kühl und berechnend spricht sie von Lust, zynisch von anderen Menschen. Zuweilen bewahrt sie jedoch zu viel Haltung, steht steif und unnahbar vor der Herausforderung. Kaum zu glauben, dass da eine unwiderstehliche Liebhaberin agiert. Eine, die zur Ekstase treibt. Da ist Judith Raab als Präsidentin de Tourvel schon eher eine Versuchung. Das stille Wasser voller Anstand hebt vor Erregung, ganz zart, sehr feinsinnig. Und so entwickeln sich zwischen ihr und Valmont auch die schönsten Szenen. Eine wunderbar poetische, als die erste vorsichtige Berührung zur leidenschaftlichen Hingabe wird. Eine wirklich erschütternde, als der Vicomte sie für immer verlassen will. In diesen Momenten hat Regisseur Manuel Soubeyrand das Theater im Griff. Da treibt er's gehörig mit dem Publikum. Ansonsten belässt er es bei Esprit und viel Charme. Genug für einen wirklich amüsanten Abend, der schließlich noch im Kampf um neue Werte endet.

Jenny Zichner, Stadtstreicher Dezember 2001


 

 

  Erstellt am 17.07.2009