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Ein Märchen von Tankred Dorst
Mitarbeit Ursula Ehler

  "Wie Dilldapp
nach dem Riesen ging"
 
Premiere am 19. November 2000
     
 
Regie: Wolfgang Hagemann
    Ausstattung: Oliver Kostecka
     


   
Unsere Geschichte spielt in einem Königreich. Plötzlich hebt die Erde. Der Riese hinter dem Berg ist nach jahrzehntelangem Tiefschlaf erwacht. Er glaubt, er ist geschrumpft. Für einen Riesen ist das eigentlich das Schlimmste, was ihm überhaupt passieren kann. Logisch. Er zürnt. Er tobt. Mit heißem Atem entfacht er einen Sturm. Häuser drohen einzustürzen. Die Schloßbewohner fallen der Reihe nach immer wieder um. Und inmitten all der Wirren verliebt sich Prinzessin Lenchen ausgerechnet in den „dummen" Bäckerjungen Dilldapp. Der König braucht jetzt einen Mutigen - einen Helden der sich bis zum Riesen vor traut und ihn besänftigt. Da taucht der „coole" Kalle auf. Wo der hinspuckt, wächst kein Gras mehr. Kalle - der Aufschneider, dazu noch schlau - nimmt auch gleich den Dilldapp mit. Beide ziehen sie los, das wacklige Königreich zu retten.
Auf der langen Reise zum Riesen begegnet ihnen eine Schnecke, die Dichterin ist und gerade auf dem mühsamen Weg zu einer Lesung in die Stadt, danach ein Perlhuhn-Fräulein, das originelle Hutkreationen fertigt, aber gerade in einer Schaffenskrise steckt und zum dritten ein Igelvater mit seinen sieben obdachlosen Kindern. Gutmütig und naiv wie Dilldapp nun einmal ist, verschenkt er alles, was sein und Kalles Überleben im Kampf mit dem Riesen sichert: Socke, Sieb und Meterstab. Doch Vorsicht... wir sind schon im mondäugigen Gebirge... es wird gefährlich.., der grummelnde Riese ist da...
Ob der Riese die beiden Wagemutigen mit Haut und Haar verschlingt, oder ob einer der beiden Helden ihn schließlich besänftigt und dafür, wie vom König versprochen, Prinzessin, Schloß und Frühstücksei bekommt - das wird an dieser Stelle nicht verraten. Jedenfalls geht es bis zum Schluß äußerst dramatisch zu und wie immer im Märchen erhält nur der Beste den gerechten Lohn. Mit Spannung, Poesie und viel Spaß soll das Märchenstück im Schauspielhaus für Groß und Klein auf die Bühne kommen. Dafür hat sich im Theater bereits der Riese schlafen gelegt; ein Riese so groß, daß sein Kopf eigentlich über den Turm des Schauspielhauses hinausragen müßte und auch der Märchenerzähler Schluri wartet schon, daß er mit der Geschichte beginnen kann.
 
Die Premiere spielten:
     
Dilldapp
-
Thiemo Schwarz*
Kalle
-
Hannes Rittig
Die Prinzessin
-
Anna Politzer*
Der König
-
Uwe Manske
Eduard
-
Michael-Paul Milow
Schluri, der Chronist
-
Thomas Grässle*
Die Schnecke Nathalie
-
Martina Hesse*
Das Perlhuhn Sheila
-
Javeh Asefdjah*
Der Igel Meier
-
Peter Schneider*
Der Riese
-
Michael-Paul Milow
Das uralte Männchen
-
Peter Schneider*
Der Torwächter
-
Peter Schneider*
Der Lakai
-
Judith Hermsdorf*
Die drei Tanten
-
Judith Hermsdorf*
Martina Hesse*
Javeh Asefdjah*
Spaziergänger / Passanten
-
Frank Meyer**
Joachim Streubel**
Igelkinder
-
**
 
* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz
** Mitglieder der Statisterie der Theater Chemnitz
 

KRITIK:

Hauptsache das Herz auf dem rechten Fleck
Junges Publikum feiert die Premiere des Stücks "Wie Dilldapp nach dem Riesen ging" in Chemnitz

VON UTA TRINKS

Chemnitz. Der Spaß geht schon vor der eigentlichen Geschichte los. Schluri (Thomas Grässle) behauptet, das Spiel könne nicht anfangen, weil der König noch schlafe. "Glaub' ich nicht", klingt es aus dem Publikum, und eine kesse Mädchenstimme schickt die Bemerkung hinterdrein: "Dann kann ich ja den Wecker spielen." Die Einwürfe sind so unberechtigt nicht, denn Schluris Hut glüht heftig, und das tut der nur, wenn sein Besitzer nicht die Wahrheit sagt. Der Zylinder kommt gar nicht aus dem Blinken heraus, Lügen scheint Schluris Leidenschaft zu sein. Und prompt wird er zum königlichen Chronisten ernannt, der Buch darüber führt, "Wie Dilldapp nach dem Riesen ging". Das Kinderstück von Tankred Dorst und Ursula Ehler hatte am Sonntag im Chemnitzer Schauspielhaus Premiere und wurde von dem begeisterten Publikum nach Kräften gefeiert.
Sturm kommt auf, und die Erde bebt. Bei Königs gerät so ziemlich alles durcheinander. Nicht allein, dass die Ahnengalerie wackelt, auch der gesamte Hofstaat wirbelt durcheinander, stößt sich überall, so dass der Herrscher die Devise ausgibt, alle haben nur noch mit umgebundenem Kissen herumzulaufen, was entsprechend dämlich aussieht. Ursache für das Gerumpel ist ein unzufriedener Riese, für dessen Beseitigung ein Tapferer gesucht wird. Kalle ist scharf auf die Belohnung: das Schloss, die Prinzessin und ein Frühstücksei. Damit er aber nicht die Dreckarbeit machen muss oder gar im Schlund des Ungeheuers landet, nimmt der schöne, schlanke Kalle (Hannes Rittig) den etwas pummeligen Dilldapp im groben Wollpullover mit.
Nun, helle ist dieser Dilldapp (Thiemo Schwarz) gerade nicht, zumindest ist er reichlich naiv und braucht ein bisschen Zeit, bis er merkt, dass dieser Schönling Kalle ihn nur ausnutzt. Aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck, was ihn nicht nur den Riesen auf ganz freundschaftlich-humorvolle Art besänftigen lässt, sondern ihm auch die Liebe der Prinzessin (Anna Politzer) einbringt, die von dem Lackaffen Kalle nichts wissen will. Schön bunt und schrill geht es bei Hofe zu. Der skurrile König (Uwe Manske) plappert alles doppelt daher, und die drei Tanten ereifern sich meistens im Chor. Im schönen Kontrast dazu erscheinen die Tiere, denen Dilldapp auf dem Weg zum Riesen begegnet. Freilich haben auch die ihre Eigenheiten, über die sich trefflich schmunzeln lässt: die Schnecke (Martina Hesse) hat es furchtbar eilig, um als Dichterin vor dem König ihre Werke vorlesen zu können, das Damenhüte gestaltende Perlhuhn (Javeh Asefdjah) steckt in einer Schaffenskrise, und der Igel hat nicht nur eine zahlreiche Kinderschar, er bläst obendrein ganz flott die Klarinette.
Turbulent und mit einer pädagogischen Botschaft, die sich nicht vordergründig aufdrängt, sondern aus der lustigen Geschichte von selbst erschließt, ist dieses Stück um Mut, Ehrlichkeit und Liebe in der Regie von Wolfgang Hagemann einen vorweihnachtlichen Theaterbesuch für die ganze Familie allemal wert.

Freie Presse, vom 21./22. November 2000


 

 

 

  Erstellt am 28.11.2000