Die
Lehre des Lebens
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Eine Erzählung über die
erlebten schweren Jahre des 2. Weltkrieges, Günther Lange. _________________________________________ VIERTER TEIL
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Nach ca. 1 Stunde Weg erreichen sie die Ortschaft Gura d videora. Hier wird Günther der dort befindlichen Polizeistation übergeben. In einer kleinen dunklen Zelle wird er zunächst hinter Schloß und Riegel gesetzt. Am Nachmittag wird er durch einen rumänischen Offizier verhört. Günther gesteht, daß er Deutscher ist und in den Hochkarpaten in einer einsamen Berghütte über Winter gehaust hat. Der Krieg ist ja nun zu Ende, daher befindet er sich auf dem Weg in die Heimat. Alle Aussagen werden niedergeschrieben und dann muß Günther wieder in seine dunkle Zelle. Am nächsten Morgen bringen 2 Polizeiposten den eingefangenen Fremden zur Polizeistelle des nächsten Dorfes. Wieder ein kurzes Verhör und die Tür einer ähnlichen Zelle wird wieder hinter Günther verschlossen. Im Laufe von 14 Tagen wird der Fremde von einer Polizeistation zur anderen weitergereicht, bis er Mitte September 1945 auf der Bezirkspolizeistation in Ploesti abgeliefert wird. In einer vergitterten Zelle, in der sich andere rumänische Gefangene befinden, wird Günther nach Anlegen von Handschellen hinter Schloß und Riegel gesetzt. Eine dünne Wassersuppe und morgens und abends ein Stück Brot, das ist die ganze Gefängnisration. Über eine Woche sitzt Günther nun schon in dieser Polizeistation, es scheint, als hätten sie ihn vergessen. Nachts mit Handschellen auf einer harten Holzpritsche liegen, das ist wahrlich kein Vergnügen. Endlich tut sich etwas. Ein Posten
öffnet die Gefängnistür und bringt den Fremden zum
obersten Polizeioffizier. In gutem Deutsch fragt dieser Günther
nochmals bis ins Einzelne aus. Die Namen wie Direktor Schlopp oder
Bauer Petre Stantiu werden natürlich nicht
genannt. Nach der Aussprache sagt der hohe Offizier, daß es
ihm zwar leid tut, daß er nach den gesetzlichen Bestimmungen
Günther im russischen Gefangenenlager in Focani abliefern muß.
Ein Wachposten wird ihn morgen dahin bringen. Bei der Verabschiedung
zieht der Offizier seine Geldbörse und drückt Günther
500 Lei (etwa 50,- Mark) in die Hand und wünscht ihm alles Gute. Die fast schlaflose Nacht ist vorbei.
Ein rumänischer Posten mit Karabiner begleitet Günther auf
der Bahnfahrt nach Focani. In Bacau müssen sie umsteigen. Bis
zum Anschluß des Zuges sind ca. eine 3/4 Stunde Aufenthalt.
So setzen sich beide auf dem Bahnsteig bei warmer Herbstsonne auf
eine Bank. Bereits nach wenigen Minuten schläft der Posten mit
dem Gewehr in der Hand einen tiefen Schlaf. Günther geht es durch
den Kopf, ist das wieder eine Möglichkeit das Weite zu suchen?
Behutsam steht er auf und geht auf dem Bahnhofsvorplatz hin und her
und überlegt, was zu tun ist. Es ist wieder Herbst und von hier
nach Deutschland zu kommen, erscheint unmöglich. Sein Entschluß,
dem Schicksal nicht mehr in die Speichen zu greifen, führt ihn
wieder auf den Bahnsteig zurück. Noch immer sitzt der schlafende
Posten auf seiner Bank. Das Schnarchen ist schon von weitem zu hören.
Günther setzt sich wieder nieder, als wenn nichts gewesen wäre.
Als die Einfahrt des Zuges angekündigt wird, weckt er den Posten
und beide fahren in dem überfüllten Zug nach Focani. Die russische Gefangenschaft ist nun doch noch Wirklichkeit geworden. Etwa 2000 ehemalige deutsche, österreichische und ungarische Soldaten fristen hier ihr Leben. Focani ist ein Durchgangslager. Wöchentlich werden Züge mit Gefangenen beladen, die angeblich nach Hause fahren. Ab und zu werden kleine Trupps zum
Straßenbau eingesetzt. Auch Günther ist froh, wenn er auf
diese Weise das mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgebene Gelände
einmal verlassen kann. Stumpfsinnig vergehen so Tage und Wochen. Schon
ist es Mitte Monat November 1945. Plötzlich wird eine Untersuchung
durch eine Ärztekommission angesagt. Die einzelnen Gefangenen,
darunter auch Günther, werden gemustert. Da jedoch nur Bemerkungen
in russischer Sprache zu hören sind, weiß keiner, was dies
zu bedeuten hat. Eine Parole geht von Mund zu Mund der Gefangenen,
daß morgen wieder ein Zug die ehemaligen deutschen Soldaten
in die Heimat fahrt. Auf dem Bahnhof von Focani wird ein langer Güterzug mit geschlossenen Waggons eingeschoben und alle Deutschen werden am 20. November verladen. In den Waggons sind Doppelpritschen eingebaut, so daß, der Fußboden eingerechnet, in 3 Schichten die Gefangenen wie in einer Ölsardienenbüchse eingeschichtet werden. Die kleinen Fenster jedes Wagens sind mit einem Holzgitter vernagelt und jeder Wagen wird von einem russischen Soldaten bewacht. Bald beginnt die große Reise.
Der Zug muß zunächst am Ostrand der Karpaten nordwärts
fahren. Jedoch dann muß es sich entscheiden, ob es in die Heimat
geht oder eine weite Reise in Richtung Osten bevorsteht. Nach etwa
einer halben Tagesfahrt wird klar, wohin die Fahrt geht. Der Zug biegt
in östlicher Richtung ab. Alle Hoffnungen auf Rückkehr in
die Heimat sind dahin. Zweimal täglich gibt es ein Stück
Brot sowie eine Schüssel Wassersuppe. So döst jeder in der
Dunkelheit des Waggons vor sich hin. Selbst am Tage dringt durch die
2 kleinen Fenster kaum ein Lichtschein in den Innenraum. So vergeht
ein Tag wie der andere. Nach 4 Wochen Fahrt passiert der Gefangenenzug
den Ural. In Tscheljabinsk werden die ersten Waggons abgehängt.
Draußen herrscht tiefster Winter. Immer weiter rattert der Zug
auf der Transsibirischen Strecke ostwärts. Endlich nach Wochen
Fahrt geht der qualvolle Gefangenentransport zu Ende. Etwa 50 Kilometer
vor Omsk werden 430 ehemals deutsche Soldaten ausgeladen. Sechs große
Lkws stehen an dem kleinen Bahnhof bereit, die Gefangenen weiter nordwärts
in die Taiga zu transportieren. Bei etwa Minus 30 Grad und 50 Zentimeter
Schnee suchen sich die Lastkraftwagen ihren Weg. Zu beiden Seiten
des ausgefahrenen Weges erstrecken sich unendlich weit die sibirischen
Wälder. Oftmals schaukeln die Fahrzeuge über kaum drei Meter
breite Knüppeldämme weiter in nördlicher Richtung.
Durchfroren sind nach über 6-stündiger Fahrt die Gefangenen
in einer kleinen Taigasiedlung namens Ilkowka am Ziel. |
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Das Dorf besteht aus 12 Holzhäusern. Etwas
seitlich ist eine kleine hölzerne Lagerhalle zu erkennen. Vor dieser
Halle endet die kalte und anstrengende Fahrt. Im Inneren des etwa 12
Meter langen Raumes sind zweistöckige Pritschen aufgestellt worden,
so daß bis zu den Außenwänden lediglich ein Gang von
ca. 1/2 Meter freibleibt. Zwei aus Lehm gemauerte Öfen sollen die
Wärme in den frostklirrenden Nächten spenden. Das Barackengelände
ist mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Auf 2 Wachtürmen
beobachten Posten das Geschehen bei Tag und bei Nacht. Im Umkreis von
mehreren Kilometern rings um das Dorf sind in den unendlichen Wäldern
Tausende erbeutete deutsche Geschütze abgestellt worden. Jeder
Gefangene erhält am nächsten Morgen einen dicken Mantel, warme
Filzstiefel und ein Paar Fausthandschuhe. Nach der Einkleidung wird
in Dreierreihen angetreten und schon beginnt die Arbeit. Die Gefangenen
müssen mit Besen und Öllappen die Geschütze vom Schnee
säubern und rostempfindliche Eisenteile einfetten. Das ist nicht
gerade eine schwere, aber sehr eintönige Arbeit. Die Tagesration
besteht insgesamt aus 3 Scheiben Brot, 1 Teelöffel Zucker, 20 Gramm
Butter bzw. Margarine und mittags 1 Schüssel
Wassersuppe. Ab und zu erhält jeder Gefangene eine Handvoll Machorga
(Tabak). Leider gibt es unter den Gefangenen viele passionierte Raucher.
Sie tauschen mit Nichtrauchern Tabak gegen Brot. Schon vor Morgengrauen
hocken sie auf ihren Pritschen und ziehen leidenschaftlich den Rauch
des in Zeitung gerollten Machorgas ein. Schon nach wenigen Wochen schleichen
einige dieser Gestalten wie der leibhaftige Tod durch das Lager. Bis
zur Schneeschmelze im Monat April gehen bereits über 40 Leidensgefährten
elendlich zugrunde. Ende Monat April 1946 steigen die Temperaturen in wenigen Tagen auf Plus 10 Grad und die über einen Meter hohe Schneedecke schmilzt in wenigen Tagen dahin. Überall nur Wasser, Dreck und Morast. Die Hauptwege bestehen aus Holzbohlen, die ein Versinken verhindern. Die Gefangenen ziehen nun täglich nicht mehr zu den abgestellten Geschützen, sondern beginnen etwa 4 Kilometer abseits des Dorfes mitten im Wald ein neues großes Gefangenenlager aufzubauen, Etwa 150 Gefangene, darunter auch Günther, ziehen morgens in die Taiga und müssen mit Schrotsäge und Axt Bäume für den Bau des Lagers einschlagen. So einfach ist diese Arbeit keineswegs. Oft haben die über 40 Meter hohen Kiefern einen Stammdurchmesser bis zu 1 Meter. Mit einer Schrotsäge, die nur 1,20 Meter lang ist, dauert es oft 6 Stunden, bis so ein Riese gefällt ist. Unter Anleitung von russischen Zivilisten fügen dann deutsche Spezialisten die Baumstämme bis zu 35 Zentimeter Durchmesser zu großen Baracken zusammen. Die Stämme werden auf der Unterseite mit der Axt ausgehackt. Zwischen je 2 Stämmen wird eine Moosschicht eingelagert und dann der ausgekehlte Stamm aufgesetzt. Die Stämme liegen an den Ecken überkreuz und geben somit dem Bau sicheren Halt. Wir Gefangenen sehen uns oft gegenseitig mit verwunderten Blicken an, wie man nur mit Säge und Axt, ohne Nägel, größere Bauten errichten kann. Doch die Einheimischen Sibiriens bringen uns das bei. Das Furchtbarste was das Leben in der Taiga so erschwert, das sind die Millionen von Mücken. Zwischen den unendlichen Wäldern, dehnen sich oft kilometerlang Sümpfe aus. Das sind die Brutstätten dieser quälenden Insekten. Über jedem Gefangenen kreist ein dunkler Schwarm von Stechmücken. Es ist unmöglich mit unbedeckten Händen oder freiem Gesicht zu arbeiten. Bietet sich für die Mücken einmal eine Möglichkeit an einer freien Stelle Blut zu saugen, dann sitzen in ganz kurzer Zeit Hunderte dieser Quälgeister auf der freien Körperstelle. Müssen Fahrstraßen Sümpfe überqueren,
so bestehen die Straßen aus Knüppeldämmen. Es ist schon
beängstigend, auf oft kilometerlangen kaum 3 Meter breiten Fahrbahnen
aus Baumstämmen entlang zu fahren. Dabei ist es für die Einheimischen
nichts besonderes. Mit über 50 Stundenkilometern rasen sie mit
ihren Lastkraftwagen auf den Knüppeldämmen dahin. Zu beiden
Seiten Meter tief alles verschlingender Sumpf. Aller 300 Meter ist eine
Ausweichspur gebaut, damit entgegenkommende Fahrzeuge vorbeikommen. Trotz der kurzen Vegetationsperiode gedeihen in den sibirischen Wäldern Pilze und Moosbeeren in kaum verstellbarer Fülle. Oft fahren 2 Wachposten mit 8 Gefangenen und einem pferdebespannten Panjewagen zum Pilzesammeln. Es gibt Waldgebiete in der unberührten Natur, in denen der Waldboden von Steinpilzen, Braunkappen und eßbaren Kremplingen übersät ist. Von jeder Seite des Fahrzeuges schneiden die Gefangenen körbeweise die Pilze und schütten diese auf den Panjewagen. Schon nach 1 1/2 Stunden fahren sie mit dem bis an den obersten Rand gefüllten Wagen wieder in das Lager zurück. Die Pilze werden gewaschen und für den Winter in Holzfässern eingesalzen. Während der Holzfällertrupp, zu dem auch Günther gehört, täglich in die unendlichen Wälder der Taiga zieht, in 8-stündiger harter Arbeit Bäume fällt oder die mächtigen Stämme auf dem Rücken an Abfahrtswege schleppen muß, wächst in den Sommermonaten 1946 der Bau des neuen Gefangenenlagers empor. 2 große Lagerhallen als Unterkünfte, 1 Küche und 1 unter der Erde befindliches Magazin für Kartoffeln und Gemüse sind im Herbst 1946 fertiggestellt. Bereits anfangs Monat Oktober bricht wieder der lange und strenge sibirische Winter herein. Anfang November fällt das Thermometer auf Minus 40 Grad. 3 Wochen später werden sogar Minus 48 Grad gemessen. Dabei scheint Tag für Tag die in Dunst gehüllte Sonne. Beim Ausatmen entstehen kleine Luftwölkchen, die lange zu sehen sind. Auch bei diesen Temperaturen und mindestens 1 Meter Schnee zieht nach wie vor der Holzfällertrupp von Posten bewacht den etwa 6 Kilometer langen Weg zur Arbeitsstelle. Bei diesen tiefen Temperaturen hat jeder sein Gesicht mit alten Lappen verhüllt. Die Gefangenen wurden angewiesen, beim Marsch oder bei der Arbeit sich immer gegenseitig zu beobachten. Zeigen sich weiße Stellen an Nase, Wangen oder Ohren sind diese absterbenden Teile sofort mit Schnee einzureiben, damit die Durchblutung wieder eintritt. Die schwere Arbeit und die ungewöhnlichen
Temperaturen zehren an den Körpern der Gefangenen. So Mancher übersteht
die harten Lebensbedingungen nicht. An den eisigen Winterabenden, wenn draußen der Schneesturm heult, kommen oft Soldaten und Politoffiziere der Roten Armee in die Unterkünfte. Sie informieren über die Lage in Deutschland und versuchen die Zusammenhänge in der Welt den Gefangenen klarzumachen. Zugleich führen sie den ehemaligen deutschen Soldaten vor Augen, welche gewaltigen Zerstörungen und wieviel Leid und Tränen die faschistischen Truppen über ihr Land gebracht haben. Bis Leningrad, Moskau, Stalingrad und den Kaukasus wurde alles Lebenswichtige niedergebrannt oder in die Luft gesprengt. Dörfer, Städte, Fabrikanlagen, Kolchosen, Sowjosen, Brücken und viele Kulturstätten wurden Opfer dieser sinnlosen Zerstörung. Über 20 Millionen Tote, meist junge hoffnungsvolle Sowjetmenschen, mußten bei der Verteidigung ihrer Heimat ihr Leben geben. Ein Mitgefangener, namens Gerhard Wriske, ehemals
Lehrer im Rheinland und Angehöriger der SPD kann einigermaßen
dolmetschen und er ist selbst ein glühender Antifaschist. In oft
langen Diskussionen machen die russischen Soldaten uns klar, wie Kriege
entstehen und wie in Zukunft so viel Leid und Elend vermieden werden
kann. In erster Linie sind es die großen Monopole, die an jedem
Panzer, jeder Granate und jedem Kampfflugzeug große Gewinne in
ihre Tasche stecken. Sie schüren den Krieg und halfen auch Hitler
an die Macht Sie formen ein geistiges Bild, wie diese Geisel der Menschheit
zu beseitigen ist. In der von der Sowjetunion besetzten Zone Deutschlands
müssen die Kriegsverbrecher, besonders die großen Monopole,
als Drahtzieher des Krieges, entmachtet werden. Nur wenn sich alle demokratischen
Kräfte zusammenschließen, kann eine schöne und friedvolle
Zukunft aufgebaut werden. Die Sowjetunion wird nicht Gleiches mit Gleichen
vergelten, sondern wird dem deutschen Volk helfen, einen antifaschistischen
und demokratischen Weg zu finden. Günther fällt es wie Schuppen von den
Augen. Während des 2. Weltkrieges haben ihn oft so viele Fragen
bewegt, deren Antwort er nicht finden konnte. Mehr und mehr erkennt
er die politischen Zusammenhänge dieser Welt. Es wird ihm bewußt,
auf weiche Seite er sich stellen wird, wenn er das Glück haben
sollte, wieder in die Heimat zurückzukehren. Die politisch interessierten
Gefangenen bilden im Winter l946/47 eine Antifa-Gruppe, die sich mit
den Zielen eines besseren Deutschlands beschäftigt. Günther
schließt sich ihr an, da er im Krieg so viel Leid und Elend gesehen
und so viel Strapazen selbst ertragen mußte. Es ist Anfang Monat April 1947. Der russische Lagerkommandant
fordert die Gefangenen auf, Vorbereitungen für die Feier des
1. Mai zu treffen. Dieser Tag soll würdig begangen
werden. Aus eigenen Reihen, ist ein kleines Programm zusammenzustellen.
Bald übt der Eine in den Abendstunden auf einer alten beschafften
Geige deutsche Volkslieder, ein anderer lernt auf einer Mundharmonika
Arbeiterlieder. |
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Günther schreibt auf den weißen
Zeitungsrändern der Prawda für den 1. Mai folgendes Gedicht: |
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Denke daran! Einst ging ein Ruf durch das deutsche Land, Die Nachbarvölker sie merkten gar bald, Der Krieg begann nun mit Brand und mit Mord. Millionen starben, sie gaben ihr Blut, Als dann die Sprache der Waffen verstummt "Weshalb all dies Elend, weshalb all die Not?",
Da saßen am bombengesicherten Ort, Sie alle hetzten und schürten die Glut O' Deutscher, erkenne doch endlich den Keim, Wenn Jeder nur handelt und führet im Sinn,
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Die gemeinsame Feier der Kriegsgefangenen anläßlich des 1. Mai wird hier im fernen Sibirien zu einem politischen Höhepunkt. Das Jahr l947 eilt dahin. Ein Tag verläuft wie der andere. Noch immer zieht der Holzfällertrupp gequält von den Mückenschwärmen in die Taiga. Das Gefangenenlager ist ja fertiggestellt, so wird das eingeschlagene Holz mit Lastkraftwagen an den Schienenstrang der transsibirischen Eisenbahn befördert und verladen. Im November 1947 tobt 2 Tage lang ein heftiger
Sturm, der überall Schäden verursacht. Von einer kleinen Siedlung
ca. 25 Kilometer vom Gefangenenlager entfernt, werden eines Tages 6
Zimmerleute zur Reparatur der Schule angefordert. In der Hoffnung, aus
der Eintönigkeit herauszukommen, meldet sich auch Günther
als Spezialist. Bald fährt ein Panjewagen mit 6 Gefangenen und
1 Wachposten in diese kleine Siedlung. Der Sturm hat das Dach der Schule
zu einem großen Teil stark beschädigt, so machen sich die
Gefangenen bald an die Arbeit. Es müssen Dachsparren ausgewechselt
sowie die Schalung und das Schindeldach erneuert werden. Während
der Dacharbeiten geht der Schulunterricht weiter. Hier erlebt Günther
etwas, was er in seinem Leben niemals vergessen wird. Die Schüler
zeigen den Gefangenen ihre Schulbücher. Mitten in der Taiga wird
sogar die deutsche Sprache gelehrt. In den Büchern sind Gedichte
von Goethe und Schiller zu lesen. In deutschen Worten können sich
Gefangene und Schüler sogar verständigen. Da kommt Günther
das Plakat an den Litfaßsäulen vor Beginn des 2. Weltkrieges
in den Sinn. Die russische Jugend zieht nicht mordend und verwahrlost
durch das Land, sondern lernt bis in die entlegenste Siedlung für
eine bessere Zukunft. Mit welchen infamen Lügen versuchte man damals
den Haß gegen die Sowjetunion im Interesse der Ziele des Kapitals
zu schüren. Auch der Winter 1947/48 zeigt sich mit grimmigen Gebärden. An den langen Winterabenden sitzen oft 50 bis 60 Gefangene mit sowjetischen Soldaten zusammen und diskutieren die politischen Zusammenhänge unserer Zeit. Im April 1948 wird eine Ärztekommission im Kriegsgefangenenlager angekündigt. Am 28. 4. müssen sich die 320 Gefangenen den 5 Ärzten vorstellen. Alle Unterernährten (Distrophie) werden auf besonderen Listen erfaßt. Auch Günther mit einem Gewicht von 48 Kilo wird mit ausgesondert. 6 Wochen später erhalten 95 Gefangene desinfizierte gebrauchte Kleidung russischer Soldaten. Dabei geht die Parole durch das Lager, daß die Ausgesonderten in die Heimat fahren. Es scheint unfaßbar. Immer wieder quälen Günther die Fragen: "Wie wird es in der Heimat aussehen und was werden Deine Angehörigen machen?". Über 5 Jahre hat er nun schon kein Lebenszeichen aus der Heimat erhalten. Anfang Juni 1948 bringt ein Zug die 90 Gefangenen nach Swerdlowsk im Ural. Hier wird ein größerer Transportzug zusammengestellt und dann geht die Reise westwärts in Richtung Heimat. Zu beiden Seiten des Zuges ziehen nach Überquerung der Wolga die durch den Krieg zerstörte Städte wie Smolensk, Minsk, Brest und Warschau vorüber. In Dresden endet die Heimfahrt. Nach zweiwöchiger Quarantäne in der Nähe von Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz, beginnt Ende Monat Juni 1948 das letzte Stück der Heimreise. Mit Holzschuhen, einem langen erdfarbenen Russenmantel sowie einer alten Schapka empfängt Günthers Vater seinen Heimkehrer auf dem Bahnhof in Frankenberg. Groß ist die Freude der ganzen Familie, denn auch sie hatten über 5 Jahre keine Nachricht von dem Vermißten erhalten. Der heimgekehrte Sohn ist jedoch in seiner Einstellung zum Leben ein anderer geworden. Die schweren Jahre des Krieges und der Gefangenschaft haben ihm Augen und Ohren geöffnet. Er weiß jetzt aus tiefster Überzeugung, was zu tun ist, um mitzuhelfen, die Wurzeln allen Übels auszurotten. Kaum 3 Wochen zu Hause spürt er eine innere Unruhe. Viele Wunden hat der Krieg geschlagen, noch herrschen Hunger und Elend. Beim Aufbau eines neuen Lebens darf keiner abseits stehen. In den ersten Augusttagen. des Jahres 1948 beginnt er beim Rat des Kreises Chemnitz, Abteilung Landwirtschaft, verantwortlich für Neulandgewinnung seine Tätigkeit. Er wird Mitglied der wenige Tage später gegründeten Demokratischen Bauernpartei Deutschlands, Mitglied der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft sowie des FDGB. An einem antifaschistischen demokratischen Deutschland aktiv mitzuwirken, das ist sein Grundsatz.
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Erstellt am 19.02.2007 | |||